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Dr Sommer is alle...
Das Erzgebirge wird nicht nur zur Weihnachtszeit vielstimmig besungen, auch der Herbst hat im erzgebirgischen Gedicht und Lied seinen poetischen Platz über Jahrhunderte behauptet. Eine kleine Auswahl von Herbstgedichten soll die Vorfreude auf den Winter unterstützen.
„Dr Sommer is alle, de Kirmes vorbei“ - das ist allerdings kein Herbstlied. Schließlich hat der Posamenten-Musterzeichner Otto Peuchel (1867-1932) aus Crottendorf weiter gedichtet: „dr Wind weht ganz eisig, dr Winter kimmt rei“. Der Anfang dieses Winter-Liedes wird aber von den Erzgebirgern zu gerne dann angestimmt, wenn sich die Vogelbeeren dunkelrot färben, die ersten Blätter von den Bäumen fallen, die Nebelschwaden durch die Täler ziehen und sich der kalte Regen schon manchmal mit Greipele vermengt – wenn also der Sommer alle ist.
Anton Günther (1876-1937) aus Gottesgab hat bei solchen Wetter schon 1901 u.a. folgenden Rat gegeben:
Bleibn mer noch a wing do
Ja, heit be dan Watter, do kä mer net hamgieh; mer kännt sich verlaafen, un mer wüßt net wuhie.
Nu, wos wolln mer dä machen, wos wolln mer de treibn, be dan Watter is an besten, wenn mer do sitzen bleibn.
Schenkt när noch a Halbe, a Halbe schenkt ei, heit bleibn mer noch lustig, waar waß wu mer morgn sei.
I nusse ja, i nusse ja, i nusse bleibn mer noch a wing do!
Herbist
Nu is der Sommer aah vorbei, de Vugelbeer sei rut, ene Birkhahfader die log in Busch, die steck ich off menn Hut. Huch über mir ne Vugelschar, die fliegt nooch Süden zu, e paar Grünerts´n gippen übern Wald, sist härt mer fast kan Tu. Of de Wiesn waadn noch de Küh, en Hirt härt mer immer e Mol knalln on hintern Wald do riecht´s nooch Schnee, ball waarn de Flocken falln.
Friedrich Emil Kraus (1895-1977), dem Industrielle aus Schwarzenberg/Neuwelt, und seinem Komponisten Kurt Richter aus Langebrück haben wird – neben dem Lied von der „Hammerschänk“ (Musik: Rudolf Krauß) - das „Hutzenlied“ zu verdanken, das so recht die Stimmung an langen Herbstabenden im alten Erzgebirge wiedergibt:
Heit is wieder Huztnobnd, komm mer alle zamm, gieh ich schie üm fümfe rüm vo de Schicht eham.
Komme a de Schnitzer mit, dos gibt ober Laabn. Wos mer alles schnitzen ka, Schaafle un en Baam.
Wenn de Pfeiff raacht un de Klippeln springe, wenn de gunge Maad e schiens Liedl singe, do ka´s nirgendwu in der Walt nei esu schie wie in Gebirg sei. 
Karl Hans Pollmer (1911-1987), der Mundartschriftsteller und Theologe aus Herold ist am 12. Oktober geboren, deshalb besingt er in seinem Gedichte „Harbist in´ Gebirg“ auch ein wenig seinem Geburtsmonat:
Es Korn is längst rei, bluß Stoppln noch stieh´, un scharf blöst der Wind ben Fald drüber hie. De Ardeppeln noch, es Kraut un de Rübn! Dann könn´ mer de Wögn in´ Schuppen neischiebn. Un noochert – war waß, emende schu bald! - do stürmts un es schneit, ´s wärd Winter un kalt. Weihnachten kimmt ra, es Christkind kimmt, un alles von´ vorn sen Gang wieder nimmt. Su giehe de Gahr, un´s Labn gieht vürbei. Wie gut doch, daß mir in Gottes Hand sei! Es Korn is gearnt´t, de Falder sei laar, un trotzdem mei Harz is net epper schwar. Es is voller Fraad; dä wos aah geschieht, mei Labn un aah dein´s in Gottes Hand stieht!
Reinhold Illing (1884-1971), der Komponist und Erzgebirgsdichter aus dem böhmischen Kupferberg betrachtet den Herbst im mitunter nebeligen Erzgebirge dagegen etwas weltlicher mit seinem Lied „Dr Nabl“:
Im Arzgebirg liegt manichsmol dr Nabel lange Zeit, von Sachsen bis ins Egertol, dos ärchert viele Leit. Doch wenn im Harbst dr Nabl kimmt, dos hobn de Leit schu garn, weil dos ´ne Krau racht gut bekimmt un aah viel Schwamme warn.
Max Nacke (1883-1958), der Bergmann und spätere Wirt vom „Raupennest“ in Altenberg, bringt uns in seinem „Harbistlied“ das Osterzgebirge in dieser Jahreszeit nahe:
Ich bi su gerne draußen, wenn´s Haardenglöckel klingt; ich laaf su gern in Wald naus, wenn´s Vögele net singt. Wenn´s is wie lauter Frieden, bi ich a salber still, weil Baam un Strauch un Blümle, weil alles schlofen will.
Ich bi su gerne draußen, wenn de Haad su traublich blüht, wenn dr erschte Frost jeds Straichel su farbig überzieht. Nort schillert´s in de Zweigle, ´s werd dammerig un still, mir scheint, ´s is Ruhgewandel, weil alles schlofen will.
Ich gieh su gern in Wald naus, wenn obnds dr Hirsch su rährt; do schlägt mer´sch Herz viel stärker, ball doß mer´sch hausen härt. Es warnt dr Echelgobicht; Schrei du fei net zeviel! Wie ball hult dich dr Gager, weil alles schlofen will.
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Arthur Schramm (1895-1994), der Kaufmann und Poet, der Erfinder und Komponist aus Annaberg, unser „Klaanes Getu“, hat ein Gedicht über die „Herbstsonne“ von 1930 – neben seinen zahlreichen Mundartgedichten – dieses in Hochdeutsch hinterlassen:
O, wunderbare goldene Sonne, verklärst die bunte Welt, Tauchst alles in Licht und Wonne, wohin Dein Strahl auch fällt.
In deinem Schein glühen die Blätter der Bäume symphonisch in Gold; noch ehe im Herbststurm und Wetter das falbe Gold erdenwärts rollt.
Das ist auch die Zeit, wo die Dämm´rung Gesichte und Wünsche ruft wach; Manch liebe und leide Erinn´rung in unseren Seelen klingt nach.
Wie draußen der Sonne Lichtfunkeln verklärt mild das Sterben, den Schmerz, so auch unseres Herbstes Dunkeln, durchdringt jedes Erzgebirgs-Herz.
Text-Auswahl: Redaktion, Fotos: Matthias Scheffler, Zschorlau
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