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Spinnen im Erzgebirge

Zur Geschichte der Leuchter/Lüster/Deckenspinnen in lichthungriger Zeit

Es geht hier weder um komische Gefühlsausbrüche der Erzgebirger während der Weihnachtszeit, noch ist jenes langbeinige Tierchen gemeint, vor dem die Mädels auf die Tische flüchten. Auch soll hier nicht das Spinnen von Wolle am Spinnrad in der Hutzenstube beschrieben werden.
Vielmehr geht es bei unseren Spinnen um jene Deckenleuchter, die nicht nur während der Weihnachtszeit so manches Zimmer, Gaststätte oder auch Hutzenstube zieren und die Erzgebirger in ihrer lichthungrigen Zeit erfreuen sowie die Blicke der Fremden auf sich ziehen. Auch auf den Weihnachtsmärkten sind sie neben den Schwibbögen oftmals die Hingucker in den Männelbuden.

In der Literatur über erzgebirgische Volkskunst findet man unterschiedliche Angaben zum ersten Auftauchen der Leuchterspinnen im Erzgebirge und so gut wie nichts über ihre Herkunft. Etwa um 1850 sollen sie im hiesigen Gebirge gesichtet woden sein.
Anzunehmen ist, dass ähnliche Spinnen bereits zu Beginn des 18. Jahrhunderts in Böhmen festliche Räume zierten . Dort waren es insbesondere Lüster mit geschliffenem Glas bestückt, die erst später – und in der Sparvariante – in Keramik und dann in Holz gefertigt wurden. Aber auch die böhmischen Lichterspinnen haben ihre Vorgänger.

Schaut man sich die venezianischen Leuchter an (Foto rechts unten), wie sie in der Lagunenstadt noch heute auch in kleinen Cafés vor sich hin dämmern, oder in Antiquitätengeschäften zu gepfefferten Preisen gehandelt werden, so ist der Vergleich mit unseren Erzgebirgs-Leuchtern nahezu verblüffend. Wie in der Kleidung (siehe erzgebirgische Renaissance-Fantasietracht), so sind auch in der Ausstattung und im Design einige Elemente aus jener Zeit in unseren Raum eingeflossen und sind hier im Laufe der Jahrhunderte folkloristisch adaptiert worden. Die Ansiedlung dieser freundlichen Spinnen geschah einmal auf dem Handelswege, dann über die diplomatischen Kontakten zwischen den Höfen, Fürstenhäusern und wohlhabenden Bürgern sowie durch einen frühen Künstleraustausch und – nicht zu unterschätzen – auch durch die Walz der Zunftgesellen. Eine andere Möglichkeit der Verbreitung unserer Spinne aus Venedig (über Böhmen kommend), dürfte im 16. Jahrhundert mit den Walen-Wanderungen in Verbindung zu bringen sein.

Die Walen, oder Waliser bzw. Venediger, kamen bekanntlich aus Italien, um in unseren Erzgebirgsflüssen und Bächen nach Gold und Edelsteinen zu suchen. Sie haben uns nicht nur Reste aus der so genannten Walensprache (eine Art Rotwelsch) und dazugehörige „geheime“ Zeichen hinterlassen, sondern auch diesen schönen Leuchter aus ihrer venezianischen Heimat in unsere raue Gebirgswelt eingeschleppt. Leider gibt es für diese hier geschilderte Zusammenhänge noch viel zu wenig wissenschaftliche Untersuchungen (für die vorhandene wäre aber auch hier nicht ausreichend Platz), so dass einem vorerst nur jenes produktive Spinnen, als Voraussetzung für jede ernsthafte Beschäftigung, bleibt – vielleicht sogar unter einer echten erzgebirgischen Leuchterspinne…
 

G.B.S.

 

 

 

 

 

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