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THEATER ABC

 

 


 


Ein Tag Frieden als Lösegeld

Erfolgreiche Premiere von „Der Tag, an dem der Papst gekidnappt wurde“ am Annaberger Theater. Eine Komödie aus den 70er Jahren, die fast noch aktueller ist als seinerzeit, weil die Welt sich nicht ändern will.

Der 1924 in Budapest geborene Autor, Bühnen-, Film- und Fernsehregisseur, João Estevão Weiner Bethencourt, wanderte zehnjährig mit seinen Eltern nach Brasilien aus. Das Stück von 1972 „Der Tag, an dem der Papst gekidnappt wurde“ war sein erfolgreichstes, mutmaßlich auch deshalb, weil er sich in Denk- und Verhaltensweisen, Ausdruck und Humorspezies der jüdischer Auswanderer auskannte.  Die Premiere am Eduard von Winterstein-Theater am 26.4.2015 fand unter großer Zustimmung des Publikums statt.
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Die Geschichte ist kurios wie einfach: Der Taxifahrer Samuel Leibowitz (passgenau gespielt von Udo Prucha - und mit bester Sprechkultur) bekommt in New York den leibhaftigen Papst in sein Auto und entschließt sich spontan, diesen zu entführen und vorerst in seiner geräumigen Speisekammer zu deponieren. Der sieht nicht nur aus wie der gegenwärtige Franziskus (Gerd Schlott, der hier den sprachlich sonoren Stellvertreter spielt, nachdem er im „Faust“ einst Gott selbst geben durfte!), sondern verhält sich auch so leutselig und genügsam, spielt sogar mit, als Leibowitz die Weltgemeinschaft dazu auffordert, im Gegenzug zur Wiederfreilassung des Pontifex Maximus einen einzigen Tag vollkommenen Frieden zu halten, ohne Schießen und Töten auf unserer Welt. Die UNO stimmt zu und alle halten sich daran.
Die Regisseurin Christine Zart hat in der bescheidenen Wohnung der Familie Leibowitz (Ausstattung Peter Gross) die sympatische Familie in die jeweilige Gemütszustände der Situation gemäß platziert. Leider werden grundsätzliche Theatergesetze dann verletzt, wenn man Schauspieler so auf der Bühne arrangiert, dass sie nach hinten sprechen, bzw. dem Publikum den Rücken zudrehen müssen und dabei mitunter schlecht verständlich über die Rampe kommen.
Mutter Sara (Marie-Louise von Gottberg), ist die zunächst verzagte, sich dreinschickende Ehefrau, die sich durch gutes Kochen beruhigt und den Papst mit  Kartoffelschälen beschäftigt. Sie kommt mit gewohnter Leichtigkeit von Panikausbrüchen zu gewohnter Bodenständigkeit, sinniert über Folgen und vertraut ihrem Samuel schließlich voll, die Sache im Griff zu behalten. Das tut sie glaubhaft, aber mitunter zu leise.
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Die Kinder sind wohlerzogene Kameraden. Tochter Miriam (Stephanie Braune) gibt den hilfsbereiten Teenager, hängt an den Infostrippen. Der Sohn Irving (Dennis Pfuhl - sprachlich wohltemperiert) hat wieder die Skala von folgsam bis exzentrisch in feinen Nuancen zu bieten und freut sich diebisch über die Idee, den Rabbi Meyer (Urs Alexander Schleiff), mit einlaufenden Anzug unter die Dusche zu stellen. Das ist Strafe für ihn, der sich zwar harmlos zum Schachspielen mit den Papst an den Tisch setzt, aber sonst seine Sache für sich ausbrüten will: Er verrät der Öffentlichkeit, wo sich der Papst befindet. Zum Judas erklärt, windet er sich in amüsanter Charakterstudie aus der Affäre. Schade, dass nicht noch ein Muselmane in die Geschichte hinein geschrieben werden konnte! Vielleicht eine neue Ring-Parabel...?
Als Gegenspieler zwischen Repressionsgewalt, der Familie Leibowitz und dem menschlich überzeugenden Papst (eine Hommage an Papst Johannes XXIII. und dessen bis heute unvollendetes 2. Vatikanisches Konzil) tritt Kardinal O´Harra (Marvin Thiede) auf. Ein Mann der unversöhnlichen Kurie, die weder die Motive seines Vorgesetzten, noch die des  Entführers versteht wird. Er ist das Prinzip, was stets verneint, dazu trocken und ohne Entwicklungsaussicht. Dagegen Samuels Einsatz für die Menschlichkeit. Prucha lässt es krachen, mit Herz und Bomben für den Frieden.
Die Geschichte hat fast ein Happy End, keiner wird bestraft. Doch nach einem Tag in erkämpftem Frieden ist trotz freundlichem Papst die Welt wie vorher oder noch schlimmer. Dramaturgie (Silvia Giese) und Regie lassen Radiomeldungen (mit den markanten und eleganten Sprechstimmen von Jörg Simmat, Brian Sommer und Sebastian Schlicht als Sheriff) aus unseren Tagen ertönen mit Kriegen, Flüchtlingstod und Katastrophen. Aber sind wir bereit etwas dagegen zu tun wie Leibowitz, oder schon zu sehr gewöhnt, dass es immer die anderen trifft?!
Ein stimmiger, kurzweiliger und sehenswerter Zweistunden-Abend mit viel Humor und tiefen Einsichten - zum arbeitsreichen Spielzeitende.

Eveline Figura
Fotos: Dirk Rückschloß, BUR

Nächste Premiere: SCHWARZENBERG (nach Motiven des gleichnamigen Romans von Stefan Heym,
von Annelen Hasselwander und Tamara Korber (Regie) in Schwarzenberg
am 9. Mai 2015 um 19.30 Uhr im Ringlokschuppen des Eisenbahnmuseums Schwarzenberg.
Shuttle-Verkehr vom Parkplatz Bahnhof Schwarzenberg zum Eisenbahnmuseum
ist ab 18 Uhr hin - und nach der Vorstellung zurück - eingerichtet. Eintritt 10 Euro, bzw. 8 Euro.

Vorverkauf wird empfohlen: 03733-1407-131 (Service Annaberg)
03774-225-40 (Service Schwarzenberg)