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Neues von der Bergnymphe
Das Ehepaar Almut Nitzsche und Reinhart Unger aus Annaberg-Buchholz haben einen Trauergesang über Barbara Uthmann aus dem Jahre 1575 wiederentdeckt und veröffentlicht, der von Christian Zemmrich aus dem Lateinischen übertragen wurde. 
Wer da meinte, dass es von der Unternehmerin Barbara Uthmann aus Annaberg nichts Neues mehr zu berichten gäbe, im 500. Jahr ihrer Geburt alles erforscht sei, der darf sich seit Veröffentlichung des „Trauergedichtes“ auf ihren Tod vom Freiberger Sebastian Leonhart im Jahre 1575 eines Besseren belehren lassen. Das Annaberger Ehepaar Almut Nitzsche und Reinhart Unger haben das in der Erfurter Universitäts- und Forschungsbibliothek aufgefundene Dokument von Pfarrer i.R. Christian Zemmrich aus dem Lateinischen in ein verständliches und poetisches Deutsch übertragen lassen und mit mehreren Texten zum personalen Umfeld der Uthmann dieser Tage in einer Broschüre veröffentlicht. Das Carmen (lat. Carmina = Gesang) umfasst mehrere Teile: Neben einer Einleitung, in der der Dichter kokettierend um Verständnis und Nachsicht für seine „geschmacklosen und schlechten Verse“ bittet, bildet das „Carmen funerbre“ (Trauergesang) den zentralen Teil dieser den Gelegenheitsdichtungen zuzuordnende „Leich-Carmen“, wie diese Form von der Frührenaissance bis Mitte des 18. Jahrhunderts oft bezeichnet wurde. (Siehe dazu auch: „Carmen auf der Stadt Annabergk Erbauung“, ca. 1498 von Hans Schneider). Nach längeren allgemeinen Betrachtungen über den Tod, wie sie in der so genannten Beerdigungs-Poesie dieser Zeit gepflegt wurden, kommt Sebastian Leonhart auf jene „Frau von außerordentlicher Frömmigkeit und Glaubens, eine Vermehrerin an Reichtum, Tugend und Ehren“ zu sprechen. Bevor er weiter lobpreisend das Leben der Verstorbenen anstimmt „Sagt das Trauerlied der Bergnymphe, die außerordentliche Hoffnung und Zierde aus Elterlein liegt darnieder“.  Könnte es sein, dass Leonhart hier einen Beitrag zur Beendigung eines über Jahrhunderte währenden Streites zwischen Annaberg und Elterlein als die beiden möglichen Geburtsorte beiträgt? Wäre es möglich, dass der Freund der Familie (insbesondere zu den Schwiegersöhnen Kohlreuer und Camerarius) den genauen Geburtsort der Barbara kannte, weil er in seinem Trauer-Carmen so eindeutig von der „Zierde aus Elterlein“ singt? Wenn das nicht ausreichen sollte für mehr Klarheit in Uthmanns Leben, so sind aber die Mitteilungen über nunmehr 15 Kinder (bisher nur 12) – neun Söhne und sechs Töchter (Glück und Belastung zugleich) – nicht ganz unwichtig, werfen sie doch noch mehr Verständnis erheischendes Licht auf diese Patrizier-Tochter. Ob alle 15 Kinder die Mutter überlebt habe, ob eventuell auch Fehlgeburten hier mitgezählt wurden, ist in den Hexametern nicht übermittelt. Sicher dürfte aber sein, dass die gutbetuchte Frau diesen reichen Kindersegen (ihr Mann, Christoph Uthmann, starb bereits mit 46 Jahren) nicht allein bewältigen konnte. Schließlich hatte sie als Frau in einer schon damals von Männern dominierten Zeit ein umfangreiches Unternehmen zu managen. Sie wird also zahlreiche Helfer und Helferinnen wie u.a. Ammen, Zugehfrauen, Köchinnen, Boten, Gärtner an ihrer Seite gehabt haben, so dass sich die mitunter übertriebene Darstellung ihres Mutterseins auf eine liebevolle und von ihren Kinder hochverehrte Frau („Klage der Nachkommen über die tote Mutter“) relativieren lässt. Und dass nun auch auf der Grundlage des aufgefundenen Dokuments endlich das tatsächliche Sterbedatum der Barbara Uthmann auf den 14. Januar 1575 festgeschrieben werden kann und sie an der Seite ihres Mannes begraben liegt, ist im Jahr des 500. Geburtstages ein durchaus wichtiger Forschungsbeitrag aus dem Hause Unger/Nitzsche.
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Fotos: Grabdenkmal der Barbara Uthmann (oben: um 1930). Internationales Workcamp 2013 zur Verschönerung des Umfeldes am Grabdenkmal.
Es ist aber auch Pfarrer i.R. Christian Zemmrich für seine kongeniale, einfühlsame und den Duktus der Zeit treffende poetische Übertragung aus dem Neo-Lateinischen zu danken. Es dürfte nicht mehr viele Lateiner in Annaberg geben, die z.B. „Dicite maontanae lugubria Carmina Nymphe“ treffend und voller Lyrik mit „Sagt das Trauerlied der Bergnymphe“ übertragen.
Die verdienstvolle und lesenswerte Arbeit Reinhart Unger: „Sebastian Leonharts Trauergedicht auf Barbara Uthmann“, 2014, 48 Seiten, ist im Eigenverlag erschienen und bei den Autoren direkt zu bestellen unter 03733 289418, info@an-art.de
red.
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