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Erzgebirgs-Käse

Alte Tradition wird wiederbelebt:
Ein paar typische Gastätten im Osterzgebirge sowie der "Trakehnerhof" in Großwaltersdorf oder "
Zum Türmer" in Annaberg-Buchholz haben wieder Aberthamer-, Schiebböcker- und Liptauer-Käse zur Freude der Einheimischen und der Touristen im Angebot.

Die heutigen Speisekarten sind hinsichtlich der Nachtischkultur, wie sie in früherer Zeit auch im Erzgebirge gepflegt wurde, rar bestückt. Es dominieren derzeit verschiedene industriell hergestellte Eisprodukte bzw. Convenience-Erzeugnisse aus dem Supermarkt. Dessert-Angebote aus eigener Herstellung sind nur noch vereinzelt in Landgasthöfen anzutreffen. Der Käse ist so gut wie überhaupt nicht mehr im Angebot, wenn von der standardisierten Käseplatte einmal abgesehen wird. Noch vor etwa 100 Jahren gehörten leichte Käsesorten zur Vorspeise, während der letzte Gang – zum Magenschließen – ebenfalls aus verschiedenen Käsesorten bestand. Obwohl das Erzgebirge zu keinem Zeitpunkt über eine prägnante Käse-Kultur wie etwa Frankreich oder Italien verfügte, sind doch drei Käsesorten zeitweilig weit über die Grenzen der Region bekannt und teilweise auch international gehandelt geworden: Aberthamer-Ziegen-Käse, Schibböcker-Kochkäse und Liptauer-Schafs-Käse, der eigentlich ein Kräuterquark ist.

Aberthamer-Käse

Die Region um Abertham, aber insbesondere der Ort selbst, wurde im 17. Jahrhundert durch seine Käseproduktion nahezu in ganz Europa bekannt. Der Chronist des Erzgebirges, Christian Lehmann, schreibt dazu bereits 1699: „Dieweil es aber dennoch um die Ziegen-Milch eine gesunde und um die Zeigenkäse eine appetitliche Sache ist / so haben sie doch noch ihre Patronen gefunden / auch wohl unter denen / die ein genaues Auge auff sie haben solten / daß sie nicht gar ausgerottet sind / sondern mit Milch / Käse / Fleisch / Haut u. Haar denen gebirgischen Inwohnern dienen / u. werden die guten gebirgischen Ziegen-Käse von andern gesucht. Fürnehmlich die Aberthamer / die mit ihren Geschmack den besten Holländer-Texter-Käsen nichts nachgehen / ja gar unter die Leckerbißlein gerechnet werden. Und ist nicht zu läugnen, daß sie einen sehr angenehmen Geschmack haben / und einem Liebhaber auff der Reise wohl zustatten kommen / auf großer Herren Tafel auch die Ehre haben / daß sie die Mahlzeit beschließen. Le Ursache ist wohl keinen andere / als daß die Ziegen auf den hohen Gebirgen / da sie unter den köstlichen Kräutern die Wahl haben / nicht die schlimsten auslesen / und daher auch eine sehr gesunde und fette Milch geben / welche die Hausmütter geschicklich zu tractiren wissen / und daraus die köstlichsten Käse machen.“
(Christian Lehmann: Schauplatz, 1699 und Ausführliche Beschreibung Des Meißnischen Ober-Ertzgebürges, 1747)

Bekanntlich hielten die Bergleute im Erzgebirge für ihre Eigenversorgung Ziegen. Durch die Artenvielfalt unserer Kräuterwiesen gaben die Tiere eine fette und köstliche Milch, aus der auch Ziegenkäse hergestellt wurde. Auch über das Aussehen des Aberthamer-Ziegenkäse gibt es Überlieferungen: Er soll die Größe eines Zwiebackes oder eines Zweithalerstückes gehabt haben. Auf der Oberseite befand sich als Markenzeichen ein Loch. Die Farbe soll grünlich gewesen sein, weil getrocknete, gemahlene Kräuter, zum Teil auch leicht angeschimmeltes Brot bei der Herstellung der Quarkmasse beigefügt wurden. Der Geschmack wird als lieblich, leicht salzig beschrieben. Die Konsistenz war locker aber nicht krümelig. Dies geschätzten Eigenschaften machten den Aberthamer Ziegenkäse über die Ländergrenzen hinaus bekannt und beliebt. Er spielte in der überregionalen Literatur eine wichtige Rolle, wie die zwei folgenden Zitate belegen, die sich an früheren Aussagen von Christian Lehmann orientieren:
„In dem Gebürgen kommen ebenfalß die Schafe und Ziegen in keine geringe Consideration, so wohl wegen der gesunden Milch / als schmackhaften Käse; wie denn dabei die Aberthamer Ziegen-Käse / mit ihrem Geschmack mit besten Holländischen Texter Käsen die Wage halten / und vor die größten Delicatessen dieser Länder passieren.“ (Christian Stieff: Einleitung Zur Historie des Chur-Fürstenthums Sachsen, 1714)
„Die Ziegen-Milch gibt trefflich Käse, unter welchen sonderlich berühmt sind die Aberthamer-Käse, welche von Aberdam oder Abertham, einem Städgen zwischen Johann-Georgen-Stadt und Joachimsthal in Böhmen, in andere Länder verschickt, und unter die Delicatessen gerechnet werden.“
(Gottlieb Siegmund Corvinus: Frauenzimmer-Lexicon, 1739)

Bekannt ist auch, dass das Rentamt (Steueramt) in Schwarzenberg die Aufgabe hatte, den Aberthamer Käse in großer Stückzahl aufzukaufen und an die königliche Hofküche nach Dresden zu liefern, was den Bergleuten, die auch Ziegen-Bauern waren, gute Einnahmen bescherte. An dieser Verdienst-Quelle wollten sich im Laufe der Zeit immer mehr Produzenten beteiligten, so dass der Aberthamer später auch aus Platten, Gottesgab, Joachimsthal, Johanngeorgenstadt, Wiesenthal und anderen Nachbarorten kam.
Obwohl die natürlichen Gegebenheiten des Erzgebirges und das Wissen dieser hochwertigen Käseherstellung stets auf diese Region begrenzt war, entstand dennoch ein Konkurrenzdruck unter den Erzeugern selbst, aber auch in anderen Regionen. So dauerte es nicht lange und es machte das Gerücht den Umlauf, dass dieser Käse seine grüne Farbe daher habe, weil er mit Leichenwasser hergestellt werde, was Ekel unter den Kunden auslöste und den Absatz zunächst drastisch reduzierte.
Diese Falschmeldung wurde jedoch rasch aufgeklärt und der wirtschaftliche Schaden hielt sich dadurch in Grenzen. Danach wurde behauptet, die Ziegen würden die jungen Bäume abfressen, sodass der Wald dadurch erheblichen Schaden nähme. Seitdem durften die Ziegen nicht mehr in jungen Baumbeständen geweidet werden. Das Gras und die Kräuter wurden nun gemäht und daheim im Stall verfüttert. Diese Maßnahme sowie das Eindringen anderer, auch ausländischer Käsesorten auf den heimischen Markt, ließ die Käseproduktion des Aberthamer in den zurückliegenden 200 Jahren versiegen.
Seit etwa 1992 wird sowohl in Abertham als auch in Seifen (Ryžovna) wieder eine Art Aberthamer Käse hergestellt, der sich aber nicht am Originalrezept orientiert, weil er teilweise aus Kuh- oder Schafsmilch und nicht mit gemahlenen Kräutern sowie „Edel“-Schimmel, einst aus „verschimmeltem“ Brot, hergestellt wird.

Schib(b)öcker-Käse

Seinen Namen bekam dieser Kochkäse vom Schiebbock (eine Art Holz-Schubkarren), mit dem ihn die Handelsleute (mitunter selbst „Schieb-Böcke“ genannt) ausfuhren und auch gleich von diesem Wagen aus den Käse und andere Erzeugnisse verkauften. Insbesondere in und um Bockau, wo der Olitätenhandel eine Hochburg hatte, wurde auch dieser Käse produziert, verkauft und von dort aus vertrieben.
Mancher „Schiebböcker“ soll seine Ware auf seinem einrädrigen Gefährt bis zur Messe nach Leipzig gefahren haben, weil auch dort der Käse sehr beliebt war, wenn auch nicht in dem Maße wie der Aberthamer, der schon Jahrzehnte vorher in Leipzig gern genossen wurde.
In der heutigen Erzgebirgs-Gastronomie ist der Schibböcker-Käse noch nicht ganz verschwunden. Bemerkenswert ist nur, dass er im Westerzgebirge kaum noch, im Obererzgebirge teilweise, aber im Osterzgebirge verbreitetet anzutreffen ist. Dort wird er sogar in kleine Gläser oder Dosen abgepackt zum Verzehr für außer Haus angeboten. Es lohnt sich, diesen schmackhaften, kräftigen Käse wieder verstärkt als eine typische erzgebirgische Spezialität in der gesamten Region zu verbreiten. Dazu hier das historische Rezept:
In einer Pfanne, Tiegel oder Topf etwa 100 g Butter schmelzen lassen (darf nicht braun werden), es können aber auch 100 ml süße Sahne statt Butter genommen werden, und etwa 170 ml helles Bier dazu geben. Zwei bis drei Harzer Roller oder andere Magermilchkäse, der innen keinen weißen Kern mehr haben darf, werden in kleine Stücke geschnitten und dazu gegeben. Von einem Camembert-Käse wird der Edelschimmel abgeschnitten und kleingeschnitten kommt er ebenfalls dazu. Jetzt 10 bis 15 Minuten immerzu rühren, damit nichts anbrennt. Der Käse wird immer dickflüssiger, darauf achten, dass er keine Klumpen mehr bildet. Wenn der Käse zu fest wird, etwas Bier zugeben. Nun den Käse kräftig salzen, pfeffern und Kümmel (und/oder Knoblauch) dazugeben. Alles nochmal gut umrühren, in eine Schüssel oder in Gläser füllen und etwa 24 Stunden im Kühlschrank lagern. Je nach Konsistenz ist er dick-streichfähig oder kann in Scheiben geschnitten werden. Der Schibböcker-Käse wird z. B. mit Zwiebelringen belegt zu Roggenbrot serviert, oder auf mit Schweine- oder Gänseschmalz bestrichene Schwarzbrotscheiben zum Bier gereicht.

Liptauer-Käse/Quark

Der Name leitet sich von der heutigen slowakischen Region Liptau ab, die vor 1918 zum Königreich Ungarn gehörte und von dort auch kulinarischen Einfluss bis nach Böhmen und in die erzgebirgische Grenzregion ausübte.
Der Liptauer-Käse ist noch heute als Brotaufstrich in Böhmen bekannt, herrscht aber in der slowakischen und österreichischen Küche vor. In Österreich ist er noch heute typischer Bestandteil des Speiseangebots beim Heurigen, und in Böhmen war er ebenfalls in den Wein- und Bierlokalen häufig auf den Speisekarten zu finden. Ab etwa 1946 war der Liptauer auch durch die deutschen Umsiedler aus Böhmen im Erzgebirge bekannt geworden. Aus Mangel an Schafsmilch wurde er meist aus Kuh-Quark zubereitet.
Für den echten Liptauer benötigt man den „Brimsen“, einen gesalzenen Frischkäse aus Schafsmilch, der heute noch in der Slowakei und Polen (unter dem Namen Bryndza) und in Rumänien (Brânză) hergestellt wird.
Der durch ein Sieb gestrichene Brimsen, man kann auch weiterhin Quark von der Kuhmilch verwenden, wird mit einem gleichen Teil schaumig gerührter Butter zu einer Creme verrührt und traditionell nur mit süßen Paprika, Kümmel, Pfeffer und geriebener Zwiebel gewürzt.
Salz kommt nur dazu, wenn ungesalzener Quark benutzt wird. Die Verfeinerung der ursprünglichen Bauernrezeptur erfolgte durch die Zugabe von Kapern, Senf, Sardellen oder Sardellenpaste sowie klein gewürfelte Salzgurken. In alten böhmischen Rezepten wird Bier als Zutat empfohlen. In der aristokratischen Küche der k.u.k.-Monarchie wurde der Liptauer Käse zwar auch als Brotaufstrich gereicht, aber obenauf war er mit Kaviar und Schnittlauch garniert.

Für eine typisch erzgebirgisch-böhmische Käseplatte als rustikale Nachspeise, wird ein „Erzgebirgischer Käse-Dreiklang“, oder „Arzgebirgsches Dreierlaa“, bestehend aus Aberthamer-Käse, Schibböcker-Käse und Liptauer-Käse auf Schwarzbrot mit Gänseschmalz und Bier (oder einen Schnaps) empfohlen.
Gute Erfahrungen mit diesem „Arzgbeirgischen Dreierlaa“ hat der Landgasthof „Trakehnerhof“ in Großwaltersdorf seit September 2013 gemacht, wo diese typisch erzgebirgisch-böhmischen Käsevarianten mit Schwarzbrot und einem Glas Bier angeboten und von den Gästen vielfach nachgefragt werden.
Auch im Restaurant "
Zum Türmer" in Annaberg-Buchholz gibt es seit ein paar Wochen einen vorzüglichen Schiebböcker im kleinen Einweckglas, - vielleicht sogar zum Mitnehmen...

Quelle: "Kulturgeschichte der Gastronomie im sächsischen und böhmischen Erzgebirge"
(Wissenschaftliche Studie, Prof. G.B. Schicker, Annaberg-Buchholz, Dezember 2013)