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Backverbot für Weihnachts-Stollen

Der Erste Weltkrieg wurde von 1914 bis 1918 in Europa, dem Nahen Osten, in Afrika, Ostasien und auf den Weltmeeren geführt und forderte rund 17 Millionen Menschenleben von denen viele auch verhungert sind. Der Erste Weltkrieg vor 100 Jahren hatte auch in Annaberg und Umgebung teilweise katastrophale Auswirkungen auf die Ernährungslage der Bevölkerung. Das Annaberger Wochenblatt hat die Jahre von 1914 bis 1918 in seinen Spalten gut dokumentiert. Die nunmehr seit über 70 Jahren – zumindest in Deutschland – meist friedlich verlaufene Weihnachtszeit, sollte aber die Erinnerung an diese unfriedlichen Zeiten wach halten. Die nachfolgenden Zeilen aus dem TAW (im Originaltext) von vor 100 Jahren mögen dabei zum mahnenden Nachdenken anregen.
Ausrücken zur Front - 24.8.1915
                                        Ab an die Front! Rekruten werden 1915 auf dem Annaberger Mark verabschiedet.

1914

27. Juli: Der erste Schuß des Weltkrieges fiel. 20 in Annaberg wohnhafte Österreicher erhielten Stellungsbefehl. In den öffentlichen Lokalen der Stadt wurden überall die deutsche und österreichische Nationalhymne gesungen.

2. August: Mobilmachung in Deutschland. Ansprache des Stadtverordneten-Vorstehers Matthes vom Rathaus-Balkon. Es fanden Bet-Gottesdienste statt.

15. August: Die Tanzmusiken wurden untersagt. Allerlei Verordnungen über Höchstpreise für Lebensmittel erschienen.

29. August: Das „Bellevue“ wurde in „Schöne Aussicht“ umgetauft. Der Rat der Stadt ordnete an, daß Restaurants, Cafés usw. nachts 1 Uhr zu schleißen haben.

4. November: Es erscheinen Verordnungen über Höchstpreise, über das Ausmahlen von Brotgetreide, über den Verkehr mit Brot. Hiernach mußte das Brotmehl mit Kartoffeln gestreckt werden.

28. November: Die Getreide- und Mehlvorräte wurden im Interesse der Sicherung der Volksernährung ermittelt.
Rekruten-Essen Festhalle 1915

                                                  
Rekruten-Massenspeisung in der Festhalle 1915

1915

2. Januar: Das Schroten von Roggen und Weizen wurde verboten.

4. Januar: Die Nachtarbeit in Bäckereien und Konditoreien wurde verboten, das Backen von Kuchen etc. starken Einschränkungen unterworfen.

23. Januar: Getreide und Mehl wurden beschlagnahmt. Es ergehen Aufforderungen zum Sammeln von Küchenabfällen und Altmetall, die städtischerseits abgeholt wurden.

30. Januar: Seminaristen tragen die Formulare zu den Bestandserhebungen für Getreide und Mehl aus.

1. Februar: Die Beschlagnahme von der Brotgetreide- und Mehlvorräte tritt in Kraft.

4. Februar: Überschriften „Eßt Kriegsbrot!“, „Wer mit dem Brot spart, erwirbt sich ein Verdienst vor dem Vaterland“

6. Februar: Ein Kuchenbackverbot erscheint. Brot durfte nicht schwerer als 2 Kg gebacken werden.

12, Februar: Die Stadtverordneten beschließen den Ankauf von 200 Zentner Speck und 150 Zentner Schweineschmalz und verwilligen hierfür 50 000 Mark

20. Februar: Brotbücher werden an die Haushaltungen verteilt. Die Abgabe von Mehl und Brot wird weiter beschränkt.

4. März: Eine große Hausfrauenversammlung im „Schützenhaus“ befaßt sich mit der Ernährungsfrage.Obstkerne

9. März: Ein städtischer Reis-Verkauf wird organisiert.Das Backen von Kuchen aus Getreidemehl wird für den ganzen Bezirk der Amtshauptmannschaft verboten, ebenso das Herstellen von Nudeln, Keks etc.

12. März: Eine Erhebung der vorhandenen Kartoffelvorräte wird durchgeführt.

27. April: Städtischer Kartoffelverkauf findet am Bahnhof statt.

1. Mai: Der Hilfsausschuß gibt in der in der Kochschule eingerichteten Volksküche monatlich 6.000 Portionen Essen à 21 Pfennig ab. Wöchentlich werden 700 Brote zu je 2 Pfund verteilt.

5. Mai: Neue Brotmarken werden verausgabt. Alle Personen über 6 Jahre alt erhalten wöchentlich 2 Kilogramm Brot zugeteilt, Kinder 1.500 Gramm.

7. Mai: Für den Kriegsgemüsebau werden die Schrebergärten am Schuttabladeplatz vor dem Mühltor errichtet.

27. Mai: In den Fleischerläden der Stadt wird Speck und Schmalz verkauft, der städtischerseits beschafft worden war. Als Ausweis dient der Brotmarken-Umschlag.

11. Juni: In verschiedenen Verkaufsstellen werden von der Stadt Fleischkonserven zum Eindecken für die Einwohner verkauft.
6. Juli: Auf Antrag erhält die arbeitende Bevölkerung eine Zusatz-Brotkarte zu einem Pfund Brot pro Woche.

21. August: Gegen verschiedentlich vorgekommene Preistreibereien schritt der Rat der Stadt durch Festsetzung von Höchstpreisen für Lebensmittel ein.

17. September: Durch die Stadt werden Weizengrieß und Reis bei verschiedenen Händlern verkauft.

21. September: Das Anbrennen von Kartoffelkrautfeuern wird untersagt, das das Kraut als Viehfutter und Streu verwendet werden soll.

24. September: Alle vorhandenen Bestände an Erbsen, Bohnen und Linsen werden genau festgestellt.

2. November: Fleisch darf an Dienstagen und Freitagen von den Fleischern nicht mehr verkauft werden. In den Gasthäusern wird die Abgabe von gebratenem Fleisch verboten.

18. November: Für Minderbemittelte werden Butterkarten ausgegeben, die zum Erwerb eine halben Stückchens Butter pro Person (viertel Stückchen für Kinder) berechtigen. Die Butter hatte die Stadt beschafft.

13. Dezember: Die Weihnachst-Stollenbäckerei wird durch ministerielle Verordnung allgemein verboten.

15. Dezember: Die Veranstaltungen von Schlachtfesten und Weihnachtsfeiern in Gastwirtschaften, Vereinen usw. wird verboten.

28. Dezember: Es erfolgt eine Bestandsaufnahme von Kaffee, Tee und Kakao.
Lazarett - Freimaurerloge 1914

                                               
Lazarett in der Annaberger Freimaurer-Loge seit 1914

1916

8. Januar: Die Buttermarken werden allgemein eingeführt. Jede erwachsene Person erhält ein Viertel Stück Butter pro Woche.

16. Februar: Ausländisches Schweinefleisch kommt zum Verkauf. Das  Pfund kostet 2,25 Mark, Speck 3,25 Mark.Feldlebkuchen

21. Februar: Freibankfleisch wird nur nur noch gegen Marken, die über ein Pfund lauten, an bedürftige Familien in der Stadt Annaberg abgegeben.

21. Februar: Gewarnt wird vor dem „Hamstern von Lebensmitteln“. Aufgefordert wird zum Sammeln von alten Konservenbüchsen.

2. März: Die Abgabe von Milch in Restaurants, Cafés, Konditoreien usw. ist verboten. Alles Masken- und Fastnachtstreiben wird vom Rat der Stadt untersagt.

13. April: Die Fleischkarte wird eingeführt. Es setzte vorher ein Sturm auf die Läden ein, um sich mit Dauerware einzudecken.

26. April: Zucker (¼ Pfund pro Woche) und Seife kann nur noch auf Marken gekauft werden. Ab 1. Mai können auch die anderen Lebensmittel nur noch auf Marken gekauft werden (1 Ei pro Woche).

16. Mai: Um die Früchte des Weißdorns (Mehlbeeren) für die Ernährung mit zu verwenden, wird die Beschneidung desselben untersagt.

24. Mai: Die Stadt richtet in den Ställen der Hüttenmühle eine Schweinemästerei ein; als Futter werden bei der Einwohnerschaft die Küchenabfälle abgeholt.
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4. August: Bei der vorgenommenen Brennnessel-Sammlung werden 30 Zentner Nesseln im Schulhof an der Voigtstraße abgeliefert.

11. August: Zwei böhmische Händlerinnen werden von der Polizei in Haft genommen, weil sie für das Pfund Gelbschwämmchen 1 Mark verlangten.

2. September: Um der Einwohnerschaft etwas Gemüse in den eintönigen Mittagshaushalt zu bringen, bringt die Stadt eine Ladung Weißkraut und Zwiebeln zum Verkauf.

4. September: Die ersten Schweine der städtischen Mastanstalt werden geschlachtet und gegen die verausgabten Sonderfleischkarten verkauft.

7. September: In der Festhalle findet die erste große Massenspeisung für Annaberger Einwohner (1.000 Personen) statt, die die Kartoffeln für die Stadt nicht eintrafen.

6. Oktober: Der städtische Heringsverkauf wird von der alten Hauptwache nach dem ehemals Bahl´schen Haus am Markte verlegt.

23. November: Milch gibt es unter Markenzwang nur noch für Kinder; 1 Liter bis zu 2 Jahren, ¾ Liter bis 4, ½ Liter bis 6 und ¼ Liter bis zu 8 Jahren.

29. November: In der Stadt wird eine Sammlung von Kaffeerückständen für die Viehfütterung durchgeführt.

9. Dezember: Die Kohlrübe hält als Nahrungsmittel für den Mittagstisch ihren Einzug.

22. Dezember: In der Festhalle veranstaltet die Annaberger Garnison eine große Weihnachtsfeier.
Volksküche Bahl´schen Restaurant 1915

                                                         
Volksküche im ehemaligen Bahl´schen Restaurant, 1916

1917

13. Januar: Im Annaberger Bezirk ergeht der Aufruf zur freiwilligen Abgabe von Speck und Fett für die Munitionsarbeiter.

30. Januar: Am Mühltor findet die Pferdeaushebung für bisher kriegsunbrauchbar befundene Pferde statt.

12. Februar: Die große Annaberg Volksküche im ehem. „Bahls Restaurant“ wird eröffnet. Am ersten Tag wurden über 2.000 Portionen an Familien aller Stände zum Preis von 35 Pfg. pro Portion abgegeben.

21. Februar: Es wird zur Herstellung von Dörrgemüse aus Möhren und Kohlrüben sowie von Kohlrübenmus aufgerufen.

24. Februar: Bei der Volksküche macht sich 3mal wöchentlich die Ausgabe von Kohlrüben-Gerichten nötig.

1. März: Die Einwohner werden zum Eindecken mit Kohlrüben ermahnt. Die Schneidemaschine in der Stadtbrauerei wird zur Verfügung gestellt.

24. April: Gefälschte Brotmarken sind im Umlauf. Die Fälscher konnten ermittelt werden.

11. Mai: Auf die Marke Nr. 31 der städtischen Nahrungsmittelkarte wird ¼ Pfund Rübensirup pro Person für 9 Pfg. zugeteilt.

3. Juni: Wie 1916, so findet auch die „Kät“ von 1917 wegen des Krieges nicht statt.

30. Juni: Stadtseitig wird zum Sammeln von Knochen aufgerufen. Das daraus gewonnene Fett soll der Einwohnerschaft zur Ernährung wieder zugeführt werden.

2. Oktober: Am 70. Geburtstag Hindenburgs ist die Stadt geflaggt. Auf dem Annaberger Marktplatz findet eine große Feier statt.

22. Oktober: Gegen Schleichhandel, Lebensmittelschiebungen, Geheimschlachten usw. werden scharfe Bestimmungen erlassen.

Kartoffelkarte Sachsen
1918

2. Januar: Im deutsch-böhmischen Erzgebirge herrscht Hungersnot. In Scharen kommen die Böhmen über die Grenze, um sich Rüben und Möhren zu kaufen.

19. Februar: Abermals tauchen gefälschte Brotmarken in der Stadt auf.

9. Mai: Vergnügungsreisen für den Himmelfahrtstag sowie für Pfingsten werden mit Rücksicht auf den Ernst der Lage verboten.
17. Mai: Die Brot-Rationen werden gekürzt, und zwar von 200 auf 160 Gramm täglich.

3. Juni: Für die Gastwirtschaften wird das Tischdeckverbot erlassen.

5. Juli: Die Grippe, auch spanische Krankheit genannt, befällt viele durch die mangelnde Ernährung Geschwächte. Sie grassiert in bedenklichem Maße.

6. Juli: Auf die Marke Nr. 16 der Nahrungsmittelkarte werden ½ Pfund Graupensuppe und und auf Nr. 18 ein gedörrte Kohlrüben (1,50 Mark das Pfund) zugeteilt.

13. Juli: 90 Zentner Laubheu wurden von den Kindern der Höheren und 1. Bürgerschule unter Anleitung der Lehrer für Pferdefutter gesammelt.

5. August: Im benachbarten Böhmen erkrankten nach einer Statistik der Stadthalterei Wien 22.842 Personen an Hungerödem.

3. September: Auf Nr. 25 der Nahrungsmittelkarte werden 100 Gramm Knochenspeisefett zum Preis von 60 Pfg. abgegeben.

4. September: Infolge der Einführung der fleischlosen Wochen wurde in der Sitzung der Stadtverordneten um Ernährungshilfe in Bezug auf Gewährung eines Brotaufstrichmittels ersucht.

6. Oktober: Den Bäckern wird als Streckungsmittel zum Brotbacken Leinkuchen- und Sonnenblumenmehl zugewiesen. Wegen der dunklen Farbe des Brotes entstand das Gerücht, es sei mit Laubheu gestreckt worden.

16. Oktober: An Stelle von Fleisch wird in der fleischlosen Woche wiederum Mehl an die Bevölkerung ausgegeben.

10. November: In Leipzig, Dresden, Chemnitz und anderen Städten übernahmen Arbeiter- und Soldatenräte die militärische und politische Macht. In Annaberg wird in der Festhalle der Arbeiterrat und am Abend in der Turnhalle der Soldatenrat gebildet. Hungernde Kinder - Kollwitz

18. November: Erlass des Arbeitsministeriums zur Bildung von Ortsausschüssen zur Sicherung der Volksernährung.

8. Dezember: Die allgemeine Demobilisierung setzte ein, die Ernährungslage verbessert sich schrittweise.

10. Dezember: Gegen das erlassene Verbot des Backens von Weihnachtsstollen erhob sich ein Entrüstungssturm der Hausfrauen.

Die Zahl der Kriegstoten im Zweiten Weltkrieg (1939-1945) liegt bei etwa 70 Millionen, davon dürften ca. 25 Millionen verhungert sein.

 

red.