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Eine Verwurzelte

Zum 3. September, dem 15. Todestag der Dichterin Martha Weber aus Wiesa

...Auch in der Ebene steh ich schaffend, ausruhnd
ins abendrötliche Gold der Sonne getaucht,
und der obstduftende Atem des Herbstes
schwebt im Vogelzug, klingelt über stehenden Gewässern,
die gestopft voll mit Zehnmarkstücken aus Gold...

Martha Weber 1

Tiefe, schöne Furchen ziehen sich durch das bebrillte Antlitz der greisen Weber Martha aus Schönfeld-Wiesa. So jedenfalls tritt sie uns auf dem Titel-Foto des Buches „Aus dem Lebensbuch - Gedichte und Briefzeilen” lesend gegenüber. Es ist das Verdienst von Wolfgang Behring, welcher 1992 die damals fast 15jährige Stille um Martha Weber behutsam zu durchbrechen vermochte.
Wer allerdings die dort aufzufindenden poetischen Äußerungen lediglich als naturhafte Reflexionen oder pastorale Miniaturen begreift, der hat die empfindsame und zuweilen auch hintergründige Dichterin nur zur Hälfte verstanden. Anders als in sattsam bekannten volksgetümelten Erzgebirgs-Reimen sind die Gedichte von ihr sowohl stark Ich-bezogen, als auch von einer oft verblüffenden Verweiskraft, die über das Beschriebene hinausgeht. Idyllisches wird bei der christlichen Sozialistin niemals zur weltfernen Idylle. Ihre vielfachen Verwurzelungen bei uns hier oben sind die Quellen für ihre durchaus auch poesievollen Liebeserklärungen an die erzgebirgische Heimat aus ihrem zuletzt flachländischen Aufenthaltsort in Lüztschena bei Leipzig, wo sie am 3. September 1998 starb. Geburtshaus-weber

Unsre Weber Martha wird am 13. April 1904 als Tochter einer Dienstmagd und eines Arbeiters in Wiesa bei Annaberg, im schönen alten Frankenhaus (siehe Foto) geboren.
Später wird sie fast siebzig Jahre lang in Schönfeld-Zschopautal wohnen, bevor sie im Jahre 1981 aus gesundheitlichen Gründen zu ihrer Tochter nach Lützschena bei Leipzig umsiedelt. Nach dem Besuch der Volksschule arbeitet sie täglich mitunter mehr als zehn Stunden als Schuhstepperin. Aus einer Ehe, die bald geschieden wird, gehen zwei Kinder hervor, die sie unter schwierigen Verhältnissen – mehr als Heimarbeit war nicht möglich – allein erzog.
Im Mai 1938 beginnt sie zu Schreiben. Eine Tätigkeit, die ihr die langen Abende nicht nur verkürzte, sondern auch die Möglichkeit eröffnete, in eine andere Gefühlswelt einzutauchen und sich darin mitzuteilen. Aber erst 1955 belegt sie den ersten Kurs im kurz zuvor gegründeten Leipziger Literaturinstitut. Martha Weber
Kein geringerer als der namhafte Schriftsteller, Poet, Journalist, Komponist und Diplomat, der tschechoslowakisch-deutsche Jude Louis Fürnberg(1909 Iglau - 1957 Weimar) wurde ihr Mentor und auch ihr politischer Freund. Von ihm stammt nicht nur das Lied „Die Partei hat immer recht“, das jahrelang als eine Art Hymne der SED benutzt wurde, obwohl er es als Huldigung an den IX. Parteitag der KPČ im Mai 1949, zu dem er zu seiner großen Kränkung nicht eingeladen wurde, geschrieben hatte.
Seine anderen Werke, darunter sehr poesievolle Gedichte, sind dadurch zu unrecht in den Hintergrund geraten. Er verfasste neben zahlreichen Gedichten auch Erzählungen und Romane. Seine Novelle „Die Begegnung in Weimar“ behandelte ein Treffen Adam Mickiewiczs mit Johann Wolfgang von Goethe. Kaum bekannt dürfte sein, dass der Text des Erfolgstitels der Puhdys „Alt wie ein Baum“ sich auf das gleichnamige Gedicht von Fürnberg bezieht, indem es bei der Band heißt „Alt wie ein Baum möchte ich werden, so wie der Dichter es beschreibt…“.
Fürnberg erkannte rasch die außergewöhnliche Begabung von Martha Weber, die aus einfachsten Verhältnissen kam, sich aber einer Sprache bediente, die den klassischen Konstruktionen verwandt ist.
In ihren fast tausend Gedichten schwingt häufig ein wenig Melancholie mit, die manche fälschlicherweise als einen Grund-Pessimismus bei der Weber deuten. 
Wer die etwas zusammenhangslos beigefügten Briefzeilen - leider immer ohne Jahres- und Quellenangaben – im besagten „Lebensbuch“ aufmerksam liest, wird bald spüren, dass diese Frau selbst ein markantes “Lebensbuch“ darstellt und in ihrer Poesie von sich zeichnet, in dem sich die Geschichte unseres Jahrhunderts in sehr individueller Weise spiegelt.
Bedauerlich, dass auch im besagten Buch über das Leben der Weber kaum informiert wird. Wie sollen jüngere Leser, und auch spätere, jemals erfahren, warum es zu Brüchen, Schweigen, Verschweigen, Enttäuschungen, Ignoranz u. a. im Dichterleben des Mitgliedes des Schriftstellerverbandes der Deutschen Demokratischen Republik kommen konnte, die auch unter dem Pseudonym „Martha Liebscher“ schrieb? Die lyrisierend-elegischen Andeutungen von Winfried Neubert zu Beginn des wertvollen Büchleins sind da wenig hilfreich, weil durch diese undifferenzierte Betrachtungsweise auch eine Überschätzung der Poetin ermöglicht wird.
Das Schaffen von Martha Weber ist noch längst nicht umfassend gesichtet, kritisch gewürdigt oder veröffentlicht worden, obwohl in den vergangenen Jahren einige Publikationen auf den Markt kamen, die hoffen lassen, dass auch das übrige Werk unserer hier Verwurzelten, zumal unsere Gegend mit weiblichen Poeten nicht so reich gesegnet ist, bald erschlossen werde. Ihr 110. Geburtstag im kommenden Jahr gäbe dazu Gelegenheit. Grabstein Martha Weber

Als kurzer Einblick in das Schaffen von Martha Weber soll hier ihr „Bekenntnis“ folgen, das sie quasi als Entschuldigung an die Erzgebirgsheimat schrieb, als sie diese gen Leipzig verließ:

Bi freiwillig gegange,
mei Hamit, aus dir,
de du bist doch ewig
tief drinne in mir.

Un ah in der Fremde
Is´s hämlich un gut,
de viele sei Freind mir,
dos macht noch mehr Mut.

Nu ka iech´s bekenne:
Blieb jeds derhäm klaabn,
dos wär e wos Falsches,
Verännring muß´s gaabn.

Nu hob ich mei Dörfl
vertauscht mit dr Stadt
un laaf über Stroßen,
wie Schuhlaader glatt.

Un fühl mich gelücklich
bei weltfremde Leit
n häng an dr Haamit
grod, weil se is weit.

Denk fruh an de Liebn,
an Barg, Fluß un´s Tol
un wäß nu, mei Haamit,
die is überol!

Gotthard B. Schicker


Bisher von Martha Weber erschienen:

- Unnr Hamit. Mundartgedichte. Leipzig: Hofmeister 1939
- Die Eberesche: Gedichte. Berlin: Aufbau-Verlag 1960
- Wenn die Gerste reift: Erzählungen u. Gedichte. Berlin: VOB Union Verlag 1963
- Die Birke: Gedichte. Berlin; Weimar: Aufbau-Verlag 1972
- Am Weissdornhang: Gedichte. Berlin: Verlag Tribüne 1977
- Aus dem Lebensbuch: Gedichte und Briefzeilen. Verlag Erzgebirgs-Rundschau, Annaberg, 1992 
- Schöne Weihnacht: Gedichte. Verlag Erzgebirgs-Rundschau, Annaberg, 1994 
- Der Worte Sommerzauber riss mich fort: Gedichte. Husum: Verlag der Nation 2000 
 

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