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Glocken sind wieder da

Die St. Annenkirche mit restauriertem Geläut

Eine feierliche Prozession vom Markt zum oberen Kirchplatz begleiteten die nach einem Jahr zurückgekehrten drei blumengeschmückten Glocken mit Musik, Gesang, Gebeten, zahlreichen Schaulustigen aller Konfessionen und Nichtgläubigen sowie vielen Reden aus kirchlichen und staatlichen Mündern, ohne dabei dem Gedanken der Ökumene – vor diesem einst katholischen Gotteshaus - eine Chance zu geben.

18.03.2012 - Vermutlich stammen die ältesten Gebilde, die mit unseren Glocken verwandt sind, aus der chinesischen Shang-Dynastie (etwa 1600–1027 v. Chr.). Texte aus der Zhou-Dynastie (1027–221 v. Chr.) belegen, dass diese Glocken – damals wie heute - vorwiegend kultischen Zwecken dienten. In Europa wurde der Jupiter-Tempel im alten Rom mit einer Glocke behängt. Irische Mönche waren es dann, die im 6. Jahrhundert die Glocken in Europa verbreiteten, vermutlich zunächst als Handschellen oder kleine Glöckchen.

Im Mittelalter war es dann üblich, auf Klosterkirchen und später auch auf anderen Gotteshäusern Glocken in kleinen Dachreitern zu platzieren, wie das auch an der wesentlich später errichten Annenkirche in Annaberg zu besichtigen ist. Erst etwa im 11. Jahrhundert entstanden Türme, die den Glockenstuhl trugen. In der Renaissance verbreitete sich auch im europäischen Raum, neben der obligatorischen Errichtung von Glockentürmen an Kirchen, auch die säkulare Verwendung von Glocken.

Glockenweihe in Annaberg 1948
durch Pfarrer Auenmüller
 

Glockengeläut als Triumph über die Türken

Glockengeläut begleitet die Menschen in Europa seit dem frühen Mittelalter von der Wiege bis zur Bahre, aber hauptsächlich zu religiösen Zwecken, wenn man von Sturm- oder Warngeläut sowie dem Stundenschlag einmal absieht. Das Glockenläuten ist auch ein zutiefst katholischer Brauch. Das erkennt man u.a. an der Geschichte des so genannten Mittagsläuten: Dieser Brauch ist auf die Zeit zurückzuführen, als die Heerscharen der Türken das christliche Abendland bedrohten. Papst Kalixt III. (Calictus III) (1378-1458) aus dem Geschlecht der Borgia ordnete am 29. Juni 1456 in einer Bulle an, dass eine oder mehrere Kirchenglocken mittags durch ihr Geläut die Gläubigen dazu aufrufen sollten, für einen Sieg der Ungarn unter ihrem Anführer Johann Hunyadi über die Osmanen zu beten. Während die Glocken läuteten, sollten die Christen drei Vaterunser und drei Ave Maria beten.

Aber wer denkt heute noch daran, wenn auch bei uns in Annaberg um 12 Uhr Mittags die Kirchenglocken läuten – sowohl von der katholischen Heilig-Kreuz-Kirche als auch von der einst ebenfalls katholischen und der seit 1539 evangelischen St. Annenkirche?

Erste Glocke bei St. Annen im Jahre 1501

Dort ist die erste Glocke bereits zu einer Zeit nachzuweisen, als man gerade mal den Grundstein für das gewaltige Kirchengebäude legte. Ab 1498 gab es auf dem heutigen Kirchplatz bereits eine kleine hölzerne Kirche, um die später der gotische Bau errichtet wurde. Außerhalb, auf dem oberen Kirchplatz, soll eine kleine Glocke in einem Holzturm die Gemeinde zum Gottesdienst gerufen haben, wie die Chronik sie ab 1501 erwähnt. Aber sie wird auch die Bergleute um 3 Uhr zur Schicht geweckt haben, schließlich erhielt sie ab 1533 den Namen „Häuerglocke“ und einen Platz ganz oben in der so genannten Laterne des nunmehr aus Stein errichteten Turmes. Zwischen 1511 und 1516 hatte man bereits – ebenfalls auf dem oberen Kirchplatz – vier weitere Glocken in einem Behelfsglockenstuhl zum Klingen gebracht. Sie hatten – im Gegensatz zu den jetzigen – allesamt lateinische Inschriften, schließlich waren es katholische Glocken...

Blitzschläge vernichteten letztes Geläut

Verschleißerscheinungen und immer wieder Brände durch Blitzschlag beschädigten oder vernichteten diese und die nachfolgenden Geläute von St. Annen. Das letzte Geläut wurde in der Nacht vom 6. zum 7. März 1813 durch ein heftiges Wintergewitter vernichtet, bei dem drei Blitze in den Turm einschlugen, ihn in Brand setzten und die Glocken zum Schmelzen brachten. Die Annaberger Bevölkerung litt unter diesem Verlust und man machte sich sofort wieder ans Werk, den Turm zu errichten. Am Jahresende 1813 war der Glockenturm dann auch fast wieder hergestellt.

Transport der Glocken vom Markt zum oberen Kirchplatz am Sonntag.

Am 9. Juli 1814 waren bereits in der Dresdener Glockengießerei von Friedrich August Otto die neuen Glocken gegossen worden. Es dauerte noch ein paar Monate bis dann endlich am 31.10.1814 die feierliche Weihe erfolgen konnte. Der Chronist berichtet darüber: „Am Morgen hatten sich Bürgerschaft und Behörden vor dem Rathaus versammelt und begaben sich 07.45 Uhr in feierlichem Aufzug unter dem Geläut der neuen Glocken in die St. Annenkirche, wo der Superintendent Carl Gottlieb Bretschneider die Festpredigt hielt. Annaberg hatte wieder neue Glocken.“

Bis auf die Tatsache, dass die nunmehr am 18. März 2012 gesegneten Glocken erst zu Ostern erklingen werden, verlief die Glockenweihe ähnlich wie damals, oder auch so wie einst als die Glocken wieder unversehrt zurück kamen, nachdem sie nach Ostern 1942 – bis auf die mittlere Glocke – zum Einschmelzen als Kriegsmetall abgeben werden mussten. Unsere Glocken - bis auf die Häuerglocke - überlebten in einem Hamburger Glocken-Sammellager. Es musste aber noch bis zum 26. September 1948 dauern, bis Superintendent Hans Auenmüller einen Dankgottesdienst mit Glockenweihe für die heimgekehrten Glocken vor einer großen Menschenmenge abhalten konnte, der sich eine dreitägige Festlichkeit anschloss.

Ostersonntag 5.00 Uhr ist die Ruhe dahin

Die 1814 in Dresden gegossenen Bronzeglocken, die übrigens zu einem Geläut gehören, von dem es nur noch zwei weitere Glocken in Deutschland gibt, hatten die Zeit bis Ostern 2011 überdauert. Ihre dringend notwendige Sanierung sollte ursprünglich bis zum Herbst 2011 abgeschlossen werden. Zu den Verzögerungen kam es, weil die Arbeiten in der bayerischen Werkstatt sich technisch anspruchsvoller darstellten, als es zu erwarten war.

"Margarethe" schwebt nach oben

In einer festlichen Prozession begleitete am Sonntag die Kurrente der evangelischen Gemeinde sowie zahlreiche Bürger aller Konfession und auch vieler Nichtgläubiger zunächst einen Tieflader, der die drei restaurierten Glocken vom Markt zur Kirche brachte, zum oberen Kirchplatz. Am Portal der St. Annenkirche begrüßten die Pfarrer der evangelischen Gemeinde die drei Glocken mit Reden und Gebeten. Aus den Chroniken geht nicht hervor, ob bei den früheren Glockenweihen die Vertreter der Behörden das Wort ergriffen haben. Hier sprach sowohl der Landrat eine Art Predigt als auch der stellvertretende Bürgermeister hob zu einer Rede an.

Dass der Hauptsponsor, der Vertreter des Ostdeutschen Sparkassenverbandes, im Namen aller Spender sprach, war eine verständliche Geste, schließlich sind hier über 475.000 EUR zum Einsatz gekommen. Dass aber kein ökumenisches Zeichen gesetzt wurde und der Priester der katholischen Gemeinde – auch aus traditionellen und historischen Gründen – hier nicht zu Wort kam, bleibt zu bedauern, zumal es sich bei der Annenkirche auch einst um ein katholisches Gotteshaus handelte.

Aber nun haben wir sie wieder: unsere kleine „Peter und Paul“, die mittlere „Margarethe“ und die dicke „Anna“, die dann am Ostersonntag um 5.00 Uhr(!) vereint die Langschläfer (auch die katholischen) unsanft wecken sollen. Bis dahin wird auch der Glockenstuhl im 78 m hohen Turm der größten spätgotischen Hallenkirche Sachsen errichtet und die relative Ruhe in der Stadt diesem überkonfessionellen Wohlklang gewichen sein.

red.

 

 

 

 

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