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THEATER ABC

 

 


 

Humorgebremste Komödie

Die Spielzeit 2015/16 begann mit einem in die Jahre gekommenen Boulevardstück. „Room Service“ hatte mit unnötigen Längen, manch versemmelten Gags und gewohnter Spielfreude des Ensembles seine Premiere.

Wer wissen will, wie 1937 am Broadway Theater organisiert wurde, mit welch existentiellen Problemen Schauspieler, Tänzer und Regisseure zu tun hatten, sollte sich das Stück von John Murray und Allen Boretz ansehen. Es ist eins aus den gefühlten 150 Stück seiner Art, die hinter der Bühne, den Kulissen und auf dem Boden der Tatsachen spielen, mit denen hiesige Theater durchaus auch - aber letzten Endes doch nicht - zu kämpfen haben. Sind diese doch staatlich teilsubventioniert. Und doch drohen Rostock, dem Musiktheater in Weimar oder in Zwickau/Plauen immer wieder Spartenschließungen und damit Kulturverluste für die Regionen sowie den Sängern und Darstellern Existenzängste.
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Das Thema im Stück „Room-Service“ ist jedoch als Slapstick-Boulevard-Komödie ausgewiesen. Dieser Drei-Genre-Clou ist vermutlich ein Trick der Stückeschreiber, die Kritiker schon im Vorfeld der Aufführung zu verwirren, um jede kritische Bemerkung von vornherein entkräften zu können: „Slapstick“ bedeutet soviel wie übertriebene Albernheit, also theatralische Überhöhung der Realität. „Boulevard“ steht für entspannte Unterhaltung, und „Komödie“ schließlich für die große Kunst der Darstellung des Menschen als unheldische Figur. All das kann man auf der Bühne des Eduard von Winterstein-Theaters in seiner neuesten Inszenierung von Christine Zart finden - und auch wieder nicht. Im Bühnenbild von Robert Schrag dominiert eine Hotel-Suite mit vielen klappenden Türen und einem vorgestellten Hotelflur. Dort spielen die Darsteller am Anfang und dann zwischen den Akten originell arrangierte pantomimische Blitz-Choreographien der kommenden Handlung, die das Publikum auf die Szenen neugierig machen sollen. Dabei hätte man es auch bewenden lassen können, denn die folgenden Spielhandlungen walzten - zumindest den ersten Teil der Handlung - so respektvoll am pointenarmen Text in die Länge, dass die Schauspieler gezwungen waren, durch eben jene Slapsticks Lacher zu provozieren, was dann in den ersten 90 Minuten bis zur Pause auch gerade zweimal gelang. Room_Service_HP2-099 (Andere)
Benjamin Muth gab den stets optimistisch bleibenden Produzenten eines Erfolg versprechenden Theaterstücks, der Geldgeber sucht und seine Truppe probend in einem Hotel einquartiert hat. Auf der Bühne ist vom Stück selbst nur die Rede. Zu sehen sind aber die lautstarken, nervenaufreibenden Kämpfe mit der Hoteldirektion. Hin- und hergerissen zwischen menschlicher Hilfe und Geldeintreiben spielt Udo Prucha den verzweifelnden Hoteldirektor überzeugend, getrieben von seinem brutalen, die Schauspieler aus den Zimmern befördernden Vorgesetzten (Marvin Thiede), der zwischen Extemporés, Berechnung und verzweifelndem Mut schließlich auf der Seite der Theaterleuten ankommt, - sehr wandlungsfähig!
Nach der Pause gerät das Stück dann mit dem Erscheinen des Senators Blake (Gerd Schlott, der gleich drei Rollen verkörpert) etwas in Fahrt. Schlott überzeugte als Oberkellner, in dem ein russischer Exilant und ehemaliges Mitglied des Moskauer Künstlertheaters steckt, und der natürlich in dem beabsichtigen Stück mitspielen will. Room_Service_HP2-135 (Andere)
Nenad Žanić brilliert gleich in vier Rollen, eine schrulliger als die andere. Herrlich sein immer wiederkehrender Incassovertreter, Hotelarzt oder Bankbote. Er ist eigentlich das stetig retardierende Element, stört die Freude am endlichen Sponsor-Scheck oder Champagnerumtrunk. Seine schrägen Texte sind trotz exzentrischer Körperverrenkungen klar verständlich und deshalb auch endlich Lacher produzierend. Die Künstlertruppe selbst entfremdet sich ständig durch überbordende Requisitenvielfalt und aktivistischen Bewegungsdrang. Der Regisseur Binion des Dennis Pfuhl mit Haardolle, Kniggeboggern und gefährdetem Miniquartier gefällt sich in skurriler Verzweiflung und tänzerische Attitüden, die den Text leider an mancher Stelle verschlucken.
Der junge Autor des Stücks, gespielt von Sebastian Schlicht, war mit seiner Knabenfigur in der „Hungerszene“ mit Pfuhl und Muth überzeugend, während seine Mutter-Nummer, die Simulanten-Variationen und Kleiderwechsel gar zu ausgewalzt, die Längen vor der Pause produzierten, uneingedenk der alten Theaterregel: Die dritte Wiederholung eines Gags ist der Tod jeder Pointe!
Drei Damen hatte der Abend auch: Die grazile, aber doch durchsetzungsfähige Hotel-Sekretärin der Stephanie Braune mit Happy Ende zu ihrem Autor, dann die selbstbewusste Mimin und Produzenten-Freundin Christin Marlow der Gisa Kümmerling, zupackend und dominant-sympatisch. Und schließlich in Marlene-Manie die Rolle der Marie-Louise von Gottberg. Wie so mancher der Texte des Werkes, war deren Rolle für den Gang der Handlung durchaus verzichtbar, ihr Spiel der kleinen Gesten und sonoren Kommentare allerdings nicht.
Das Stück ist leichte Unterhaltung mit selbstgemachten Humor-Bremsen. Ein wenig mehr Swinguntermalung könnte die Roofgardenstimmung der Zeit vielleicht noch hervorkitzeln. Aber vermutlich ist das Stück auch nur deshalb inszeniert worden, um dem hiesigen Ensemble zu vermitteln, wie komfortabel dessen Einkommenssituation und Existenz hier und heute im Vergleich zu amerikanischen Verhältnissen - damals wie heute - beschaffen ist. Deshalb sei auch den Kollegen des Sängerensembles, des Chores und den Orchestermusikern sowie den anderen Gewerken dringend der Besuch dieser tragischen Komödie an Herz gelegt, um bei kommenden Tarifverhandlungen Selbstdisziplin üben zu können...

Eveline Figura

Nächste Vorstellungen: 7./16./24. und 31.10., jeweils 19.30 Uhr

Fotos: Theater Annaberg/BUR/Rückschloß