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THEATER ABC

 

 


 

 

Humoriger Thriller

Die Hitchcock-Filmadaption „Die 39 Stufen“ hatte mit beachtlichen schauspielerischen Leistungen in einer ziemlich belanglosen englisch-grauen Komödie mit schwarzen Humoreinlagen am Annaberger Theater Premiere.

Vom Regisseur Urs Alexander Schleiff war es nicht nur eine angenehme Geste, sondern auch ein dankenswerter Einfall, am Ende der Premiere auch den Mitwirkenden hinter der Bühne – Technik, Ankleiderinnen, Licht, Ton, Maske, Requisite, Souffleuse und all den anderen – einen Extra-Vorhang und damit viel Applaus vom Publikum zu geben. Denn ohne diese „unsichtbare“ Truppe wäre ein derart temporeiches Stück mit nur vier Protagonisten in über 100 Rollen nicht zu bewältigen gewesen. Schließlich ist es nicht so sehr die banale Handlung um jenen ausländischen Spionagering namens „39 Stufen“ die diese Farce von Patrick Barlow nach dem Hitchcock-Film von 1935 ausmacht, sondern die Umsetzung in ein wahrliches Feuerwerk mit vielen Mitteln nicht nur aus der darstellerischen Handwerkskiste (mitunter auch komödiantischer Mottenkiste), sondern auch aus Malsaal, Tischlerei, Schneiderwerkstatt und Fundus (Bühne: Marlit Mosler, Kostüme: Brigitte Golbs), was dem Abend sehr transparente, flexible und stimmungsvolle Bühnenbilder mit vielen einfallsreichen Kostümen bescherte.39_Stufen_HP1-177 (Andere)

Marvin Thiele stellt den Helden namens Richard Hannay dar. Obwohl er – im Gegensatz zu seinen Kollegen - nur e i n e durchgängige Rolle im Stück zu geben hat, gibt er die mit einem Breitband von Emotionen und darstellerischen Mitteln, die ihn mitunter sichtbar an physische Grenzen tragen, wie sein durchgeschwitzter Anzug am Ende des Stückes deutlich machte. Sprachlich und darstellerisch souverän, äußerst beweglich mit seinen fast zwei Metern Körpergröße, beherrscht er die Szenen dieses humorigen Thrillers. 

Auch mit Marie-Luise von Gottberg geht das Werk noch gnädig um, sie verkörpert „nur“ die drei Frauen, mit denen es im Lauf der Handlung zu romantischen Verwicklungen kommt. Sie versteht es gekonnt, ihrer Annabella, Margaret oder Pamela jeweils einen typischen Charakter zu geben, der auch vor Klamauk im Umgang mit den Partnern nicht zurückschreckt. Damenhaft, vampisch oder lasziv – die von Gottberg beherrscht die Skala der Gefühle überzeugend, obwohl da und dort der sprachlichen Verständlichkeit etwas mehr Aufmerksamkeit gewidmet und nicht der überbordenden Spiellaune geopfert werden sollte.

Die beiden anderen Schauspieler – Hannes Sell und Nenad Žanić - spielen sämtliche noch anfallende - männliche wie weibliche - Figuren, nicht selten sogar unbelebte Objekte wie Wasserfall, Felsspalte, Scheibenwischer oder schottische Kaktuspalme. Das überaus schnelle Spiel erfordert permanente Stimmungswechsel durch Licht, Musik oder nur akustische Untermalung, die ein Extra-Lob verdient haben (Musikalische Leitung: Peggy Einfeld). 39_Stufen_HP2-423 (Andere)

Überzeugte Hannes Sell durch enorme Körperbeherrschung und facettenreiches Spiel in den unterschiedlichsten Verwandlungen, in grotesken Slapstick-Verrenkungen bis hin zur Klamotte, so brillierte Nenad Žanić neben einer unverwüstlichen variantenreichen Darstellung der unzähligen Figuren-Charaktere mit einer unverwechselbar angenehmen Sprechkultur.
Von diesem Mann wird jede noch so leise sprachlichen Andeutung auch in der letzten Reihe des Rangs verstanden.
Eine Umgangsweise mit der deutschen Sprache und seiner Interpretationskultur, von der sich so manch ein junger Darsteller an unserem Haus mehrere Scheiben abschneiden darf...

Durch die anerkennenswerten schauspielerischen Leistungen der vier Protagonisten ist aus einem letztlich belanglosen Stück, jener einstmals ernstgemeinten Film-Spionagegeschichte, so etwas wie ein humoriger Theater-Thriller geworden (voller Anspielungen und Verballhornungen anderer Hitchcock-Filme wie etwa “Fenster zum Hof” oder “Psycho”) der möglicherweise vorhandene Publikumsbedürfnisse nach dieser Art von englisch-grauer Komödie mit paar schwarzen Humoreinlagen befriedigt.
Das Premieren-Publikum war dann auch in seinen Einschätzungen des Abends gespalten: Die, die immer klatschen und über alles lachen, konnten sich dergestalt auch diesmal wieder austoben. Andere wieder fragten sich, ob dieser enorme darstellerische, technische und damit auch finanzielle Aufwand nicht besser einer Komödie zu gute hätte kommen sollen, die neben dem Unterhaltungswerte, auch noch ein paar andere Kriterien der Theaterkunst ins Spiel bringen kann.

So darf man sich also nach zwei Versuchen in Sachen anglophiler Komödie bald auf einen Altmeister dieses Genres freuen:
Am 7. Februar 2016 soll das turbulente Spiel um die kratzbürstige Katharina in Shakespeares „Die Zähmung der Widerspenstigen“ über die Annaberger Bühne gehen...

red.
Fotos: Theater/BUR

Die nächsten Vortstellungen:

Mi 02.12.2015 19.30 Uhr
Mo 21.12.2015 19.30 Uhr
Do 31.12.2015 20.00 Uhr
So 10.01.2016 19.00 Uhr
Sa 16.01.2016 19.30 Uhr
Sa 23.01.2016 19.30 Uhr
Fr 29.01.2016 19.30 Uhr
Do 25.02.2016 19.30 Uhr
Mo 28.03.2016 19.00 Uhr