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Rache in der Fastenzeit

Sehr erfolgreiche „Fledermaus”-Premiere am Annaberger Winterstein-Theater

Die Premiere der „Königin der Operetten“ in die Fastenzeit zu legen, gilt noch heute in ihrem Heimatland und dem der Strauß-Dynastie als Sakrileg. Und das nicht nur, weil dort die praktizierte Walzerseligkeit in der Nacht vom Faschingsdienstag zum Aschermittwoch begraben wird.

Zugegeben, die Wiener insbesondere sind mit ihrem hundertfach bestückten Ballkalender dann auch eh schon redlich müd’ und haben eine Pause verdient, auch um den Alkoholpegel zu normalisieren und den Sektkellereien die Chance zum Auffüllen der Lagerbestände zu geben. Aber wenn am Annaberger Theater selbst im tiefsten Winter die Bäume im Prater zum Blühen gebracht werden können, warum soll dann nicht die „Fledermaus“ in der Fastenzeit ihre Rache üben dürfen?

Michael Junge (Gabriel von Eisenstein), Leander de Marel (Frosch). Fotos: Dieter Knoblauch (c) Theater Annaberg

Johann Strauß jr., der Walzerkönig, einst Großunternehmer in Sachen Tanzmusik, der „Die Fledermaus” auf Anregung Jaques Offenbachs, Pariser Großmeister wirklich komischer Opern, endlich komponierte, hat wie dieser nicht einfach eine lustige Rachestory der Society in freundliche Klänge verwandelt. Er hat auch das Milieu der abgehobenen und von der 48er Revolution verschreckten Wiener Gesellschaft widergespiegelt. Aber wie er das tat! Der Rausch der Ballsaison, bestehend aus dem Genuss der unglaublich schwungvollen großen Walzer-Klänge, und dann das Können der Ballbesucher, wirklich den Links-rum-Walzer zu drehen bei gleichzeitiger Abkühlung der erhitzten Gemüter mit prickelndem Champagner. Das zusammen erzeugte jenen „Rausch”, der oft genug Ohnmachten gleichkam - leider heute auf dem Wiener Opernball so auch nicht mehr anzutreffen.

Das passierte dann in der Premiere hier in Annaberg auch nicht, und daran waren nicht nur die völlig - der Fastenzeit adäquaten - abwesenden Champagnerflaschen oder gar -gläser auf der Bühne Schuld. Die Inszenierung (Intendant Ingolf Huhn) erzeugte ein den Abend füllendes, lebhaftes Amüsement über die immer wieder tolle Geschichte, die fließend erzählt, durch temperamentvolles Agieren in Szene gesetzt wurde. Meist glaubhaftes und temperamentvolles Spiel erzeugte den Effekt zwischen Bühne und Zuschauerraum, Champagner sei den Darstellern schon irgendwo infiltriert worden. Der Rausch aus der Walzermusik (am Pult GMD Naoshi Takahashi) klang später dann nach und nach auch an. Die Ouvertüre jedenfalls war zunächst frei davon, einschläfernd und teilweise unexakt intoniert.

Die Rollen waren fast immer sehr gut vom jungen Sänger-Ensemble des eigenen Hauses besetzt, das mit Spielfreude und Lockerheit ans anspruchsvolle Werk ging. Die Rollencharakteristik wurde differenziert über die Rampe gebracht, voran und endlich einmal herausragend Michael Junge als Eisenstein, der bewegt über Sofas und Ballsirenen stieg und die verwickelte Geschichte um seine Woche Arrest als Bariton in manchmal spröde, aber meist anständig tenoral gesungene Gefilde hievte. Seine Rosalinde, Bettina Grothkopf - wer sonst? - gab die etwas zu solide Ehefrau in schönen, aber sehr sparsam dekoltierten Roben (Kostüme: Brigitte Golbs) und üppiger Haartracht, die beim téte a téte mit ihrem Sänger Gspusi Alfred (Frank Unger) die Erotik unfreiwillig ziemlich behinderte.

Chrissa Maliamani (Adele), László Varga (Frank), Kerstin Maus (Ida), Tatjana Conrad (Prinz Orlofsky)

Sängerisch kokettierend, differenziert und zur großen Csárdás-Geste in der Lage, war sie der bewährte Partner für Frank Ungers strahlende Tenor-Ausbrüche, der für Eisenstein ins Gefängnis wandert. Der Spielmacher der Intrige, Dr. Falke, war Jason Nandor Tomory, der seinen mitunter angenehmen Bariton nicht überstrapazierte, lyrisch, aber fast zu schüchtern, das Champagner-Ensemble „Brüderlein und Schwesterlein“ anführte. Sein hier gezügeltes Temperament kam in den tänzerischen Cuplés und Ensembles jedoch vielleicht gerade dadurch zur Geltung. Der Gastgeber des Abends, Prinz Orlowski, gar zu zierlich gegeben von Tatjana Conrad und trotz russischem Akzent und hübschen Kassak doch so etwas wie die Sparvariante in der Vermittlung russischen, androgynen und stimmlichen Flairs. Oder vielleicht eher ein wenig von der Regie allein gelassen?

Die Zimmermädchen-Diva Adele (Cryssa Maliamani, eine Griechin, die z.Zt. noch in Würzburg studiert) sang die Partie als Gast für die erkrankte Madeleine Vogt mit Grazie, schönem Vibrato, sicherer Höhe und - trotz sehr kurzer Probenzeit - mit spielerischem Einfühlungsvermögen. Ihre Schwester Ida (Kerstin Maus), wie gewohnt niedlich, gehörte zur Schar der die kräftigen Beine schwingenden Ballett-“Ratten”, die im großen Ballbild in gar zu viel Tüll steckten und meist alles Mögliche tanzten, außer schwingenden Walzer (Choreographie:Sigrun Kressmann). Die Zimmermädchen und Kellner waren (Demokratie von heute!) gegenüber der eleganten Welt komplett überrepräsentiert.

Ensemble: Maria Gessler (Rosalinde), Chrissa Maliamani (Adele), Rebekka Simon (Sidi), Michael Junge (Gabriel von Eisenstein),  Kerstin Maus (Ida), Tatjana Conrad (Prinz Orlofsky), Jason-Nandor Tomory (Dr.Falke), Chor, Extrachor, Extraballett

Das „Dui-Du“-Ensemble brachte, durch die wohlklingende Solisten und den gut studierten Chor (Uwe Hanke), endlich die volle Klangwelt, den österreichischen Schmäh zur Geltung. László Varga gab dem Gefängnisdirektor Frank mit seinem beweglichen Spielbass auch bewegte Gestalt. Im Spiel hin- und hergerissen zwischen würdevoller Naivität und Suff. Den konnte er im Gefängnis-Akt, gemeinsam und im köstlichen Zusammenspiel mit dem stets beschwipsten Frosch (Leander de Marel) voll ausspielen. Der Frosch war eine der markanten Perlen des Abends und auch in der reichen Karriere von Leander de Marel selbst. Er spielte - leicht wienernd - mit sich, dem Bühnenpartner Frank (der sich am „Fros(t)ch-Schutzmittel“ gütlich tat), seinem Slivo-Witz, den Libretto-Kalauern und aktuellen Anspielungen, einfallsreich, ohne in exaltierte Grotesken zu verfallen.

Das Publikum amüsierte sich köstlich. Und selbst mit „süffigster” Aussprache blieb de Marel allzeit verständlich. Der Advokat Dr. Blind (Markus Sandmann) gab den junge Komikerpartner kongenial und sang, stotterte, stolperte durch die Rache-Eskapaden des Abends. Gelungener Rahmen für die gelungene Inszenierung war das Bühnenbild von Tilo Staudte, der endlich einmal die ganze Höhe der Bühne auslotete: Nur ein Bühnenbild, zwei große Öffnungen, mal als Fenster des Salons, dann als Durchgänge zum Ballsaal, schließlich doppelt vergittert als „Schwedische Gardinen“ zu nutzen, ein großes Kanapé, ein paar Sessel – mehr nicht. Dafür viel Spielfläche.

Diese vom Publikum begeistert aufgenommene „Fledermaus” wird über einen längeren Zeitraum viele Besucher finden und erfreuen und endlich um Silvester herum dann auch den ihr gebührenden Platz im Ballkalender einnehmen!

Eveline Figura

Eduard-von-Winterstein-Theater Annaberg-Buchholz, 09456 Annaberg-Buchholz,
Buchholzer Str.67, Tel.: 03733/1407-131 ,
www.winterstein-theater.de

Nächste Vorstellungen:14./23./30.03.; 08./04.; 06.05.2012, jeweils 19 Uhr
 

 

 

 

 

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