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Gegründet 1807
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Dezember 2025
„Don Giovanni“ am Theater Annaberg
Der ewige Don Juan - Ein Mörder: Die neueste Inszenierung ist alles andere als leichte Kost. Mozarts Musik schließllich Hochdramatik, der die Inszenierung Rechnung tragen sollte.
Foto: Dirk Rückschloß/Theater Annaberg
Der „Don Giovanni“ spielt, wie "Carmen" und gut 100 weitere Opern auch, in Sevilla, der Weltstadt in Andalusien, wo es nicht nur eine Statue des Frauenverführers gibt, sondern auch einen Platz, der Donna Elvira gedenkt. Der Ort mit dem entsprechenden Ambiente kommt in der Annaberger Ausstattung von Martin Scherm allerdings nicht ansatzweise zum Ausdruck. Wahrscheinlich soll das die Allgemeingültigkeit männlicher Verhaltensweisen, mit denen Frauen bis heute Gewalt angetan wird, unterstreichen. Die Kostüme tragen dem Rechnung, der Adel zwar in Rokoko, die Elvira (Maria Rüssel) zunächst im Chanellkostümchen. Wenigstens passt der Don Giovanni im knappen Schwarz in Typ und Zwirn ins Hier und Heute wie auch seine Dienerschaft als Türsteher.
Sie haben dann auch als solche genug mit den Kulissen zu tun: Bewegliche Stellwände im 70er- Jahre-Look. Die verbergen den Mord an Donna Annas Vater am Anfang nicht wirklich, den Anna selbst (Bettina Grothkopf) gar nicht mitbekommen hat. Bissel mehr inszenatorische Sorgfalt für ́s Publikum wäre sinnvoll. Ansonsten hat der Regisseur Sebastian Tylle stringent auf den Typ des Hauptdarstellers gesetzt: Angus Simmons, zierlicher Australier, neu als Bariton am Haus engagiert, muss auf schlank geführtes gutes Stimmmaterial und bewegtes Spiel setzen, was sein erster Eindruck als Feudalherr und Weiberheld zunächst nicht vermittelt. Und das tut er dann erfolgreich, auch wenn sich frau fragt, was die Weiber an ihm finden. Das Figürliche zum Diener Leporello (Ondrej Potucek, Gast aus Prag) ist also genau umgekehrt. Der, großer kräftiger Kerl, ebenfalls in Schwarz mit Goldkettchen, wirkt am Geschehen ein wenig desorientiert, muss vom Herrn eher geschubst werden. Als „Zuhälter“ und „Chronist“ konnte er nicht so recht überzeugen. Der fette Aktenordner anstelle des heute „Leporello“ genannten Notizblocks war einfach überzogen. Stimmlich ist sein Bassbariton mit einem starken Vibrato aber präsent und passend zu den Spielszenen am Ende, wo der Diener angstvoll vor dem toten Mann vom Campo Santo warnt.
Der „Don Giovanni“ (UA am 29.10.1787 in Prag, zwei Stunden von hier, in Anwesenheit von W.A. Mozart höchstselbst), den die verwöhnten Annaberger in Regelmäßigkeit zu sehen und hören bekamen, ist der dramatische Höhepunkt in Mozarts Schaffen. Der Orchestergraben mit Mitgliedern der Erzgebirgischen Philharmonie Aue setzt wirkungsvoll mit der Ouvertüre die Tiefe des Geschehens in den Raum mit Bläserklängen, die das Ende vorweg nehmen. Dazwischen sanftes Streicher, hier nicht immer synchron. Am Pult der sehr engagierte 1. Kapellmeister, Dieter Klug, der als amtierender GMD fungiert. Das Orchester war vor dem 21.11.25 unter den Händen von zwei Dirigenten, die sich um das Amt des neuen Musikdirektors bewarben. Das Orchester in Mozart-Besetzung musste also oft „die Gefühle“ wechseln. Dieter Klug drückte aus, was das Ensemble wohl selbst empfindet: „Alle werden bis an ihre Grenzen gefordert“.
Zu Beginn und immer wieder die Donna Anna (Bettina Grothkopf). Die Sängerin hat am Haus zwei Jahrzehnte die großen Partien gesungen und beherrscht ihre souverän noch immer. Besonders kraftvoll und in feinen Pianissimi kann sie die Kantilenen zelebrieren. Spielerisch muss sie sich vom Giovanni auch einiges gefallen lassen, wie die anderen Damen ebenfalls. Die Perücke saß diesmal gut; es bleibt verwunderlich, dass die reiche Dame die ganze Handlung über dasselbe tragen musste. Der Don Ottavio des Richard Glöckner war ein zarter Geliebter der Anna, der mit seinem zu leichten Tenor, die Partie zwar mit musikalischer Akkuratesse sang, aber nicht wirklich bewältigen konnte. Zudem kommen die Tenöre bei Mozart sowieso immer „schlecht“ weg.
Die Mannsbilder sind halt bei ihm die tiefen Stimmen. Die Donna Elvira der Maria Rüssel hat mit ihrer Zerrissenheit zwischen Liebe und Rache eine schwierige Aufgabe, die sie stimmlich zunehmend gut ergriff, und dann auch mit Hilfe des Wechsels in ein knallgelbes Ballkleid unterstreichen durfte. Insbesondere blüht sie in den vielen Ensembles auf, wie die vier-, sechs-, achtstimmigen und mehrstimmigen Gesänge bei Mozart wie Edelsteine wirken und am Schluss die „Moral“ vor ́s Publikum tragen. Herrliche Klänge. Dazu trugen auch die Damen und Herren des Chores bewegt bei. Nicht zuletzt, aber vielleicht hier gut platziert, war das junge Bauernpaar Zerlina (Zsófia Szabó) und Masetto (Vincent Wilke), die aus dem Volke heraus agierten. Unter Kaiser Josef II. waren diese Szenen d e r Stein des Anstoßes. Während die Zuchtlosigkeit eines Don Giovanni noch als bekannt für den Adel hingenommen wurde, begehrte das Volk gegen die Forderung des Herrn auf das ́Rechts der ersten Nacht` nach einer Vasallen-Hochzeit auf. Auch wenn die heutige „Brautentführungen“ darauf zurück gehen, war die von Don Giovanni rücksichtslos und danach nahm seine Verfolgung Fahrt auf. Das war zu viel für den Wiener Hof. Die dortige Erstaufführung fand zwar schon im Mai 1788 statt, wurde aber nur mit vielen Veränderungen erlaubt.
Das berühmte Duett „Reich mir die Hand, mein Leben!“ in der Annaberger Inszenierung hatte da auch schon die Sanftheit verloren, um die sich Zsófia Szabó zu züchtig bemühte. Der Masetto war spielerisch und gesanglich sehr überzeugend und sympathisch. Das Verwechselspiel zwischen Giovanni und Leporello (Kleidertausch) war durch die ähnliche Kleidung nicht durchsichtig genug. Der Höhepunkt war dann das verdiente Ende des Frauenschänders und Mörders im Feuertod, effektvoll inszeniert. Aber der musikalische Triumph war der Aufritt des Komtur des in Leningrad geborenen Litauers und nun in Kleipeda engagierten Evert Sooster aus der Loge des 1. Ranges. Mit gesungener Kraft und wunderbarer Modulation hatte er den moralischen Sieg in der Kehle und hat auch den letzten Annaberger Komtur endlich vergessen lassen. Dass Lorenzo Da Pontes Libretto („Der bestrafte Wüstling“) zu Ehren kam, in dem Italienisch gesungen wurde, hat auch hier, an einem kleineren Haus der Wirkung keinen Abbruch getan: Einmal der wunderbare Klang des Italienischen, der auch manche Akzente nicht aufkommen ließ. Zum anderen sind einige der deutschen Übersetzungen heute nicht mehr zielführend, geht es um die Drastik des Geschehens. Ein wunderbarer Abend mit gutem Orchesterklang, großer Musikalität der Sänger, spielerischem Einsatz des Ensembles und allen Mitarbeitern im Hintergrund.
Eveline Figura
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