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THEATER ABC

 

 

Februar 2020


Aliens, Sex and Rock 'n' Roll

Die Rocky Horror Show! Das Musical von Richard O’Brien wurde 1973 in London uraufgeführt und kam bereits 1975 in die Kinos. Vielen Leuten ist es daher vielleicht eher aus dem Fernsehen als vom Theater bekannt. Es ist Kult. Am Sonntag, 9. Februar 2020 erlebte das Stück eine schwungvolle Premiere im ausverkauften Eduard-von-Winterstein-Theater.

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Plakatmotiv der Show / Fotos: Dirk Rückschloß / BUR-Werbung.

Wer die schräge Handlung nicht kennt: Ein Pärchen namens Janet und Brad sucht nach einer Autopanne ein Telefon und gerät in ein Schloss voller Außerirdischer. Dort erschafft der Transsexuelle Frank 'N' Furter mit seinen Gehilfen Riff-Raff und Magenta einen künstlichen Menschen. Das neue Wesen bekommt den Namen Rocky Horror. Weiterhin verlieren einige Personen ihre sexuelle Unschuld und zum Ende hin gibt es mehrere Tote. Dazwischen passieren lauter reichlich absurde Situationen, bis man das Wundern verlernt hat. Das Werk ist geradezu voll gepackt mit Anspielungen und Querverweisen. Diese zu erkennen und zu entschlüsseln gehört zu den Freuden des Publikums.

Eine Besonderheit des Stückes ist seine Interaktivität. Soll heißen, ein Mitspielen des Publikums wird erwartet und ist größtenteils erwünscht. So schollen dem Erzähler (Marvin Thiede) erwartungsgemäß bei jedem Auftritt laute “boring“ Rufe (englisch für “langweilig“) entgegen. Er spielte jedoch mit großer Gelassenheit und Souveränität und hinterließ damit einen coolen Eindruck.

Auch sonst verlief der Abend nach den Regeln einer zünftigen Rocky-Horror-Show: Es wurden also reichlich Buh- und Zischlaute von sich gegeben, im Zuschauerraum getanzt sowie Klorollen und Konfetti geworfen. Auf das Werfen von echten Hotdogs sowie die Benutzung von Wasser wurde glücklicherweise verzichtet.

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Im Vordergrund links Nick Körber als Frank 'N' Furter und rechts Dominik
Kwetkat als Rocky Horror.

Die Darsteller des frisch verlobten Pärchens Janet Weiss (Marie-Luis Kießling) und Brad Majors (Maurice Daniel Ernst) schafften es überzeugend, „zwei ganz normale, gesunde, junge Menschen“ abzubilden. An diesen Figuren entlang wird zwar die Geschichte erzählt, im Trubel der Geschehnisse geraten sie dann etwas in den Hintergrund. Die meisten Blicke zog natürlich die Figur des Frank 'N' Furter (Nick Körber) auf sich. Es gab zu Recht großen Jubel bei seinen Auftritten, trotz oder gerade wegen vieler überdrehter Aktionen.

Die freudigste Überraschung des Abends waren für mich die Geschwister Magenta (Daniela Tweesmann) und Riff-Raff (Maximilian Nowka), beides Gäste am Winterstein-Theater. Frau Tweesmann hat eine Stimme und Ausstrahlung, dass ich dringend auf ein Wiedersehen auf dieser Bühne hoffe. Herr Nowka erzielt in Gesang und Spiel eine geradezu hypnotische Wirkung auf das Publikum. Man stellt ihn sich unwillkürlich als Besetzung in „Tanz der Vampire“ vor.

Die Figur des Rocky Horror wurde von Dominik Kwetkat gegeben, den man am Annaberg-Buchholzer Theater bis dato als Tänzer kannte. Herr Kwetkat punktet mit einem tollen Körper. Nein, da musste nichts „angebaut“ werden. Er stellt den muskelbepackten Rocky überzeugend schüchtern, etwas unbeholfen und gleichzeitig sehr sympathisch dar. Große Sympathie hinterließ auch die einzige Musiknummer des Rockers Eddie (Philipp Adam). Eine kleinere Rolle, aber ein feiner Auftritt.

Nenad Žanić gab den Wissenschaftler Dr. Everett Scott. Mit kleinen Gesten hatte er alle(s) im Griff. Deren Wirkung war teilweise größer als mach ausladende Aktion anderer Spieler. Die anthropomorphe Personifizierung Columbia sang Lucia Reichard, welche im zweiten Teil des Abends aufblühte.

Nicht vergessen werden soll hier die Tanzgruppe des Theaters, zu der in dieser Aufführung Bianca Arnold, Jana Burkert, Elisabeth Gehlert, Franzy Roscher, Dominique Anders und Jonas Roscher zählen. Was würde das Theater bei so mancher Vorstellung eigentlich ohne seine engagierten Tänzer machen?! Bei der Rocky-Horror-Show bekam man so gut trainierte, ausdrucksstarke und zur Inszenierung passende Bewegungsabläufe zu sehen, wie schon lange nicht mehr. Verantwortlich dafür war Irina Pauls als Choreografin. Frau Pauls konnte ebenfalls als Gast für die Show gewonnen werden; sie ist freischaffend international tätig.

rockyc (Andere)Eventuell bekommt ein Zuschauer, der das Werk noch nicht kennt, Probleme. Manch wichtiger Punkt der Handlung wird ausschließlich gesungen und dies auf Englisch. Und einige Sänger waren deutlich schlechter zu verstehen als andere. Es war nicht immer sicher, ob dies dem Darsteller oder der Tontechnik geschuldet war. Die ansonsten kurzweilige und gut funktionierende Erzählung verantwortet Tamara Korber. Für die sehr stimmige Ausstattung, bei diesem Stück gewissermaßen die halbe Miete, ist Robert Schrag verantwortlich. Auch der musikalische Leiter des Abends, Herr Markus Teichler, bekam zusammen mit seiner Band reichlichen und verdienten Applaus für eine gelungene Leistung.

Zur Annaberg-Buchholzer Premiere des Musicals sah man viele Gesichter, welche man noch nie zuvor im Theater sah. Lediglich ganz junge Leute waren kaum anwesend. Im Anschluss gab es eine öffentliche Premierenfeier im oberen Foyer des Theaters. Hier konnte man die Darsteller ungeschminkt und von nahem sehen. Manch einer stand dann ohne Maske im Publikum und wurde von diesem nicht erkannt. Eine solche Feier ist eine schöne Erweiterung, genauso wie das außergewöhnliche Programmheft in Plakatform.

Obere Reihe von links: Riff-Raff (Maximilian Nowka), Magenta (Daniela
Tweesmann) und Columbia (Lucia Reichard). In der Mitte Frank 'N' Furter (Nick
Körber) und beidseitig der Treppe die Tanzgruppe.

Die Darsteller und das Publikum hatten sichtlich Spaß an der Aufführung. Beide Seiten machten engagiert mit, was in diesem Musical ein Muss ist. Davon lebt ein Stück weit die Show. Wer nicht weiß, wie es geht, bekommt vom Erzähler eine Einweisung bzw. kann vorneweg im Foyer ein Fanbag samt Anleitung erwerben.

Fazit: Wenn Sie also hingehen, was ich Ihnen hiermit ans Herz lege, machen Sie mit! Wer nicht prüde ist, darf sich an sehr viel schönem Fleisch, Absurditäten und einem lustigen Abend erfreuen. Schauen Sie, für welche Vorstellungen es überhaupt noch Karten gibt, der Vorverkauf läuft außerordentlich gut.

Eva Blaschke

PS: Mein Beileid bzw. Dank allen, die hinterher Saal und Foyer reinigen mussten!

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