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THEATER ABC

 

 

Oktober 2020



Die Sabinerinnen – Eine Liebeserklärung ans Theater

Warum spielt man eigentlich Theater? Warum geht man als Zuschauer ins Schauspiel? „Der Raub der Sabinerinnen“, derzeit auf dem Programm des Theaters Annaberg-Buchholz, behandelt indirekt diese Fragen, die gerade in Corona-Zeiten offensiv beantwortet gehören.

Der Schwank „Der Raub der Sabinerinnen“ stammt aus der Feder der Brüder Paul und Franz von Schönthan und wurde 1884 in Stettin uraufgeführt. Am Eduard-von-Winterstein-Theater wird es in der Spielzeit 2020/21 in der Bearbeitung von Curt Goetz gezeigt. Besucht wurde die Vorstellung am 21.10.2020.

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Leander de Marel im Kostüm des Königs Titus Tatius. Fotos: Dirk Rückschloß/Pixore-Photography

Das Stück erfreut sich seit über 130 Jahren der Beliebtheit des Publikums. Das Werk wurde mehrfach verfilmt und es existiert sogar eine Musicalfassung. Im Grunde handelt es von den Problemen einer kleinen Wanderbühne und den einengenden gesellschaftlichen Konventionen in einer Kleinstadt zu Wilhelminischer Zeit. Die Figurenzeichnungen entsprechen ihrer Entstehungszeit und sind für die heutige Gesellschaft völlig überholt. Teilweise kann man die schwierigen Lebensumstände der damaligen Schauspieler in den Memoiren des Eduard von Winterstein nachlesen. Im ersten Moment könnte man also meinen, dieses Schauspiel habe sich gründlich überlebt. Aber –

Die Probleme der Wanderbühne bestehen aus schlechter Finanzlage, zu wenig Personal und mangelhafter materieller Ausstattung, was einen Rattenschwanz an weiteren Schwierigkeiten nach sich zieht. Dies Alles klingt leider keinesfalls gestrig. Im Stück wird dies kompensiert durch die Leidenschaft und die Improvisationsfähigkeit der Theaterleute. Das ist auch heute noch die Lebensversicherung vieler kleiner Stadttheater. In größeren Häusern gibt es von Vielem ein Mehr. Aber oft mangelt es dort am Zauber, der aus Leidenschaft geboren wird.

Im Stück hat Prof. Gollwitz (Udo Prucha) in seiner Studentenzeit eine Römertragödie geschrieben, was seine Frau Friederike (Marie-Louise von Gottberg) und der Rest der Stadt tunlichst nicht erfahren sollen. Seine jüngere Tochter Paula (Nadja Schimonsky) verguckt sich in den Schauspieler Sterneck (Nick Körber), welcher seinem Vater Karl Gross (Nenad Žanić) davon gelaufen ist. Die ältere Tochter Marianne (Christiane Schlott) ist mit dem Arzt Dr. Neumeister (Marvin Thiede) verheiratet.

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Die Schauspielertruppe Striese bei den Proben: links Sterneck (Nick Körber), rechts Luise Striese (Tamara Korber) und im Hintergrund als weiterer Darsteller Mathias Stephan Hildebrand.

Der Theaterdirektor Striese (Leander de Marel) will das Römerstück unbedingt aufführen, da er sich davon Publikum und Einnahmen verspricht. Eine wichtige Rolle für den Fortgang der Ereignisse spielen ein schwatzhaftes Dienstmädchen (Lucia Reichard) und ein nur meist stummer Papagei (Vladislav Weis). Für das glückliche Ende ist Frau Luise Striese (Tamara Korber) zuständig.

Besonders gefallen hat natürlich Leander de Marel in der heimlichen Hauptrolle als Emanuel Striese. Hier kommt jahrzehntelange Bühnenerfahrung zum tragen, um Theater auf dem Theater zu spielen und die Liebe zu den Unmöglichkeiten rund um die Bühne scheint nicht nur von der Rolle auszugehen. Beeindruckend war die Szene, wo Striese erläutert, wie er es wenigstens nach seinem Tod noch ans Burgtheater schaffen will. Die Szene, in welcher sich der Theaterdirektor gegen den Begriff „Schmiere“ verwahrt, blieb dahinter ein wenig zurück.

Die beiden Neuzugänge dieser Spielzeit haben einen guten Eindruck hinterlassen. Nadja Schimonsky zeigte ein genau ab- und ausgewogenes Spiel und es lohnt sich, auf den Papagei von Vladislav Weis ein besonderes Auge zu haben. Eine Freude war es auch, dem Dienstmädchen Rosa (Lucia Reichard) zuzusehen und vor allen zuzuhören. Ihr schwäbischer Dialekt war überzeugend und verlieh der Figur einen besonderen Reiz. Einige der Schauspieler spielten ihre Figuren ein Stück weit als Kopie vorheriger Rollen, was etwas Vorhersehbares hatte.

Die Inszenierung verantwortete Urs Schleif, von dem schon etliche schöne, teilweise überragende Arbeiten im Annaberg-Buchholzer Theater zu sehen waren. Als besonders gelungenes Beispiel sei hier „Alles auf Krankenschein“ genannt. Auch die Inszenierung vom „Raub der Sabinerinnen“ ist grundsolide, unterhaltsam und anschauenswert. In der besuchten Vorstellung gab es, vor allem in der ersten Hälfte, aber deutliche Probleme mit dem Timing und die Auffassung der Figur des Karls Gross ist eigenwillig und überzogen, wenn auch denkbar.

Gut gelungen ist die Ausstattung des Stückes von Martin Scherm. Sie ist in Kleidung, Möbeln und dergleichen ganz passend und mit schönen Details in der wilhelminischen Zeit gehalten. Das Bühnenbild samt Papageienkäfig rundet die Handlung ab und vertieft den Gesamteindruck.

sab a (Andere)Nach der Aufführung traten Leander de Marel und Udo Prucha vor das Publikum und bedankten sich für das Erscheinen, für die Möglichkeit überhaupt spielen zu können in diesen Zeiten. Für die Darsteller ist es sicher auch nicht einfach, wenn über zwei Drittel der Plätze frei bleiben müssen und Coronaregeln auch auf der Bühne gelten.

Im Stück lebt die kleine Wanderbühne davon, dass sie trotz aller Unzulänglichkeiten das Publikum begeistern kann. Den Schauspielern ist das Spielen ein Bedürfnis, auch unter den widrigsten Umständen. Und das Publikum will unterhalten werden, mit überraschenden Wendungen und einem Blick auf Aspekte seiner selbst.

Plakat des Eduard-von-Winterstein-Theaters.

In diesem Sinne: Halten Sie dem Theater die Treue, gerade jetzt. Das Hygienekonzept des Winterstein-Theaters erlaubt es, jeden direkten Kontakt zu vermeiden. Abstände können eingehalten werden, es gibt nur 82 Plätze pro Vorstellung. Kommen Sie, wenn möglich, ein paar Minuten eher und nicht erst kurz vor Beginn. Dies erleichtert das Einhalten der Coronaregeln für alle Besucher.

Eva Blaschke

www.winterstein-theater.de