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THEATER ABC

 

 

Oktober 2018


Ami-Weltbild mit Ohrwürmern

„Annie get your gun!" am Eduard-von Winterstein-Theater Annaberg-Buchholz

Die Premiere des Musicals am 28.Oktober 2018 war ein voller Erfolg – wegen der berühmten Songs! Trotzdem konnte man sich des Eindrucks nicht verkneifen, dass die hier als Klischées verfestigte Lebensweise der Nordamerikaner bis heute als Welt-Anschauungen bei einer Mehrheit dort im Kopfe geblieben ist: Machismus, Schießwut und Apartheid. Regie und Ensemble haben den Staub der Zeit um 1900 nicht herunter geholt und so kann man Spaß und Musik genießen, als ginge uns das andere alles nichts an!

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Man stelle sich das am Broadway (UA 1946 in New York) einst rauf und runter gespielte Erfolgsmusical mit der einfallsreichen, spritzig arrangierten Musik von Irving Berlin heute an einem großen Theater vor, das die USA bewusst so ins Bild setzt und die Gefälligkeit des Sujets nicht hinterfragt, -ein Skandal! Aber sollte man dem Provinzpublikum, das durch die Medien ja doch aufgeklärt sein sollte, nicht auch mehr zumuten?!

Der Regisseur Ansgar Stephan Weigner hat bewegte Bilder, zügige Abläufe inszenierte, ja fast choreographierte Duette gestaltet. Wenigstens einige denk-würdige Szenen hat er untergebracht wie die der aus den Eisenbahnabteilen vertriebenen Indianer oder Annies kleine Geschwister, die mit Inbrunst Gewehre putzen. Ganz normal „im Staate Dänemark“!

Die Geschichte ist einfach. Annie als junge Frau stiehlt den Kerlen in der Showarena dieselbe, verliebt sich in ihren Konkurrenten, der sie als bessere Schützin nicht an seiner Seite dulden kann. Die Besetzung von Madelaine Vogt als Annie ist optimal. Sie verkörpert naive, aber selbstbewusste, mal witzige und mal widerborstige, gefühlvolle Weiblichkeit. Stimmlich überzeugend in den Duetten mit manchmal wenig gesprochenen Textverständlichkeit.

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Sympatisch an ihrer Seite Jason-Nandor Tomory als Schießwunder Frank Butler, Figur betonte Männlichkeit zelebrierend und animiert seinen warmen Bariton einsetzend. Auch das Spiel in den Szenen im Eisenbahnabteil zeigte differenzierte, verhaltene Emotionen. Ebendort findet eine der hübschesten von reichlichen Kinderszenen statt, ohne zu verkitschen.

Kompliment an die Regie und an die sich freispielenden Jungdarsteller (Ida und Anton Takahashi, Emilia Linke und Marie Illig). Gleichfalls war der mehrstimmige Nachtgesang im Zugabteil eine wunderbar gelungene Szene. Dann folgen viele überzeichnete Charaktere, damit das Publikum auch merkt wie komisch das Stück sein soll: László Varga als Showbetreiber Buffalo Bill -gar nicht büffelig; Jason Lee, der neue Tenor am Hause als sein Pendant Charlie Davenport -im koreanischen Nationalgewand und als Showman etwas zu züchtig; Michael Junge als Impresario Charlie Davenport in gewohnter Aktivität und Überzeugungskraft; Matthias Stephan Hildebrandt als ausbeuterischer Etablissementbesitzer Forster Wilsen wiedermal im Karoanzug und aufgesetzt nervig und zusammen mit Bettina Corthy-Hildebrandts Dolly Tate überzeugend die unsolidarische Kollegenschaft gebend.

Den großen Auftritt hatte wieder Leander de Marel als Häuptling Sitting Bull, weder sitzend noch Bulle, sondern als schlanker Vertreter seines tragischen Volkes mit Donner-Singstimme und trotz pointierter Texte um Seriosität bemüht, der Annie schließlich hilft ihren Liebsten zu fangen durch „Kriegslist“, „denn am Schießeisen beißt keiner an“! Die Freunde machen ihre Gewehre unbrauchbar und so darf Frank Butler als bester Schütze triumphieren und als Mann! Annie sinkt an seine Brust! Happie End.

Die Musik aus dem Orchestergraben mit dem Showtiteln „Showbusiness likes Knowbusiness“, „Ich kann alles viel besser als du“, „Goldne Sonne und Silbermond“ u.v.a. wurden mit Verve dirigiert und interpretiert. Die Bläserbesetzung und die innere Begeisterung führten an einigen Stellen zu überbordender Klangfülle, so dass beim „Silbermond“ kaum noch ein Solist zu hören war, trotz Mikroports. Dieter Klug, der 1. Kapellmeister, führte das Orchester akzentuiert und mit spürbarem Engagement für das Genre, aber bitte in einigen Passagen mit mehr Zügel! Einzig die Textverständlichkeit bei den Dialogen ließ trotz Mikroports zu wünschen übrig. Eventuell könnte das am Feintuning, der Einstellung der Höhen liegen, dass die Konsonanten nicht mehr zu hören waren.

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Der Chor unter Leitung von Jens Olaf Buhrow sang gut studiert, bewegt und tänzerisch agierend. Die Chorsolisten, insbesondere Juliane Roscher-Zücker als Mrs. Potter-Porter, Bridgette Brothers als Mrs. Foot oder die Herren Jens Langhans, Volker Tancke  und Hans Gebhardt trugen zum bewegten und begeistert beklatschten Gesamtbild des Abends bei. Das Extraballett unter Gesine Sand stellte Salon-Damen vor- wenig originell und Gesellschaftstanz. Die Kostüme waren dafür lasziv bis prächtig, Madelaine Vogts Schießkostüm wäre auch ohne Klöppeldecke auf den Schultern ausgekommen. Die Bühne war unter Robert Schrags Leitung abwechslungsreich und historisch bebildert. Ein unterhaltsamer Abend mit toller Musik.

Eveline Figura

Nächste Vorstellungen:
7.11., 16.11., 1./15.12., 19.30 Uhr; 2./25./30.12., 19 Uhr und weitere in neuen Jahr.
www.winterstein-theater.de; Tel.: 03733/1407-131