|
 |
 |
|
Gegründet 1807
|
|
|
|
|
|
 |
 |
|
|
 |
 |
|
Mai 2018
Pariser Flair auf dem englischen Lande
Die Premiere von Friedrich von Flotows „Martha“ geriet zu einem spritzigen Höhepunkt am Ende der 125. Spielzeit des Eduard von Winterstein-Theater Annaberg-Buchholz. Regie und Ensemble hatten offensichtlich gleichermaßen Spaß an der schönen Musik und den fesch aufgemachten Handlungsläufen. Das Publikum war amüsiert.
Ein Mecklenburger Ritter von Flotow verortet sich in Paris und schreibt in der Atmosphäre von Henri de Toulous Lautrecs Moulin Rouge und Jaques Offenbachs Operetten komische Opern, die diesem Esprit standhalten! Die „Martha“ hatte 1847, einer Zeit, wo der Adel schon mal auf die Schippe genommen werden durfte, am Kärtnertor-Theater in Wien seine begeisternde Uraufführung. Da ist volksliedhafter Klang, Dramatik und Rhythmik, die dann sogar gelegentlich an die spätere verkaufte Braut von Smetana erinnern. Sollte dieser die „Martha“ gekannt haben?!
Die Regiesseurin Jasmin Solfahari aus Berlin hat gute Erfahrungen an großen Häusern und mit solchen Größen wie Harry Kupfer gesammelt. Man spürt die Stilsicherheit im Umgang mit der spätromantischen Materie. Sie beließ die Handlung in der Einheit von dem Ort Richmond in England, der damals aktuellen Zeit und entsprechender Ausstattung. Gerade deswegen gelang es, zusammen mit der Ausstattungsleiterin Christina Böcher, viel Heutiges zu platzieren.
Die unausgelasteten Landlady Harriett (Madelaine Vogt) und ihre Vertraute ( Anna-Bineta Diouf) kommen auf die Idee, sich beim Mägdemark als solche zu verdingen und das bindende Handgeld von dem reichen Pächter Plumkett (László Varga) anzunehmen, bei dem sein Ziehbruder Lyonel (Frank Unger) lebt. Während sich beide sofort in die kessen neuen Dienerinnen unsterblich verlieben, denken diese nicht an Pflicht und Arbeit und verschwinden wieder unauffindbar.
 |
Unterdessen erklingen die Vielzahl derbekannten wunderschönen Melodie, bei denen es schon mal kräftig „pilchern“ darf. Die Sänger haben dennoch durchaus fordernde Opernliteratur zu bewältigen. Madelaine Vogt meistert ihre Kantilenen mit Inbrunst bis Todesverachtung und spielt die mal Spröde, Überlegen, schließlich die Liebende mit gewohntem Esprit und bewegter Verrücktheit. Anna-Bineta Diouf gelang die überzeugende Partnerin, ohne übertreffen zu wollen mit schöner stimmlicher Beherrschung ihrer warmen Altstimme sowie sehenswerten Körperlichkeiten. Die Herren waren eine Freude an sich. Frank Unger sang mit wundervollen Tönen und toller Höhe die Partie des Lyonel. Auch wenn sich seine Stimme mal kurz verabschiedete, tat das nichts seiner charmanten Ausstrahlung. László Varga lebte sich mit kräftigen Material zwischen kräftiger Höhe bis in die Tiefen aus und fand sich selbstverleugnend in seine leicht vertrottelte, gutmütige „Bauch“-Rolle hinein. Ebenso Jason-Nandor Tomory als Lord Tristan, der hoffnungslos um die Gunst Harrietts buhlt.
Die Maske hatte ihm einen anderen Typ verpasst: grau und mit Bauch-Watteau sang er schöne baritonale Weisen und charakterisierte die Figur überzeugend. Die Spielfreude der Darsteller wurde herausgefordert durch originelle tänzerische Arrangement, z.B. des Trinkliedes von Plumkett oder seines Duetts mit Nancy. Der Chor sang mit der Verstärkung von Coruso e.V. kräftig (Leitung: Uwe Hanke) und ward ausgiebigst bewegt und darstellerisch gefordert a la Felsensteinschen Musiktheaters. Dass dabei die Aufmerksamkeit beim Mägdemarkt etwas vom Schöngesang Lyonels adsorbiert wurde, ist Künstlerpech.
Das Orchester hatte wieder sehr viele Noten zu spielen. Der Beginn der umfänglichen Ouvertüre war von GMD Naoshi Takahshi ausgefallen langsam angegangen, mit manchmal sehr dünn klingenden Streicherpassagen,-wahrscheinlich sollte die anschließende Langeweile auf dem englischen Lande illusstriert werden. Im zweiten Teil wurde das schlafende Publikum jedoch dann von Donnerklängen geweckt.
Die Erzgebirgs Philharmonie hat jedoch danach ihre Wohlklänge entwickeln können und das Publikum entdeckt, wie viele der Motive dieser Oper im Volke verwurzelt und bekannt sind. Das alles spielte sich in einem multifunktionalem Bühnenbild ab. Eine sehr hohe, geschwungene Treppe musste von den Stöckel-, Pantoffel- und Stiefel beschuhten Füßen der Darsteller bewältigt werden und manch mitfühlende Seele im Zuschauerraum hätte sich ein elegantes Geländer für diese halsbrecherischen Gänge gewünscht. Vielfarbige Queen-Outfits, elegante Reitkostüme, dumpfe Bäuerlichkeit und verrückte Aussteiger- Kleidchen brachten die Spielfreude zum Ende der Jubiläumssaison in Trapp. Der Abend des 29.Mai 2018 bewies einmal mehr, dass die deutsche komische Oper viel zu bieten hat und vielleicht auch bei von Flotow noch einiges aus der historischen Versenkung gezaubert werden könnte. Allemal lohnend mit dieser Art einfallsreichem Regietheater.
Eveline Figura
Weiter Vorstellungen: 10.5.,19.30 Uhr; 6.5., 15 Uhr; 13.5., 19 Uhr. Kontakt.: Tel.: 03733 1407 131, www.winterstein-theater.de
Abb.: Theater Annaberg
|
|
|
|
|