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Überzeugende Ensembleleistung

Die Premiere „Der Wildschütz“ am Annaberger Theater gestaltet sich zu einer ideenreichen, amüsanten und klangvollen Leistung, an der auch die Gastsolisten einen erfrischenden Anteil hatten.

Die komische Oper „Der Wildschütz“ gehört zu den Höhepunkten des deutschen Singspiels nach Mozart und ist eine Perle romantischer Musiktheaterkultur. Das bedeutet, dass die schöne Musik nicht in Rührseligkeiten abgleitet, frisch und frech, den oft aufmüpfigen Texten, insbesondere der der Frauen, noch einen drauf setzt und dennoch reichlich Gefühl zeigt. Zu danken ist das Stück Albert Lortzing, einem Berliner Theatermann per excellenc, der - wie sonst nur noch ein E.T.A. Hoffmann - ein Alleskönner auf den Theaterbrettern war. Berühmt bis ans frühe, traurige Ende seines Lebens galt er als Komödiant und Bonvivant, als Sänger, Bühnenbildner, Regisseur, Textdichter und insbesondere Komponist. Heute hören wir einen Notensetzer allerersten Ranges, der die Mozartsche Tradition fortsetzte, im Orchester thematisch und einfühlsam Instrumente platzierte und das Solisten-Ensembles die Moral verkünden lässt, wie eben die ganz Großen vor ihm es taten.
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Die Oper „Der Wildschütz“, nach dem erfolgreichen Theaterstück August von Kotzebues (damals populärer auf der Bühne als Goethe), spielt auf dem Lande. Die Hauptfigur ist ein ältlicher Schulmeister Baculus (Bernd Gebhardt a.G.), der eifersüchtig über sein Braut wacht. Auf dem Gute des Grafen Eberbach (Jason-Nandor Tomory) treffen, als Männer verkleidet, dessen Schwester (Bettina Grothkopf) und deren Zofe (Therese Fauser) ein. Und nun beginnt die amüsante Verwechslungskomödie mit Missverständnissen und Albernheiten, in der sich am Schluss die richtigen Paare in den Armen liegen und die Peinlichkeiten mit den Seufzern aufgehoben sind, indem doch alle schon die ganze Zeit, „die Stimme der Natur“ empfunden hätten. In Lortzings großartigem Musiktheater entsprachen die Interpreten in der Annaberger Inszenierung vom Intendanten Dr. Ingolf Huhn den hohen Anforderungen. Voran die Instrumentalisten der Erzgebirgischen Philharmonie Aue aus dem Orchestergraben unter der Leitung von GMD Naoshi Takahashi, der bereits in der Ouvertüre mit Feingefühl Tempi und Nuancen forderte. Die Hörner klangen wie frisch geölt und waren mehrfach am malerischen deutschen Gesamtbild des Abends beteiligt. Auch die Streicher und Bläser intonierten wohltönend die bekannten Melodien und der sichtbare Pauker in der Loge spielte zupackend, aber nie zudeckend.Wildschuetz_HP2-4666 (Andere)
Der Baculus wurde vom freischaffenden Berliner Bass-Bariton Bernd Gebhardt als ein im Schuldienst ergrauter Kleinbürger gezeigt, der seine Ausstrahlung auf sein junges, freches Mündel und Braut (gewohnt temperamentvoll und angenehm gesungen von Madelaine Vogt) selbstgefällig überschätzt, einen gräflichen Rehbock schießt, der sich am Ende als sein Esel entpuppt und auch noch seine Braut für 5.000 Taler an den verliebten Baron Kronthal (Frank Unger) verkauft. Gebhardt singt mit kräftigem Bass-Bariton und spielt so, dass man ihm am Ende die Tragikomik abnimmt. Frank Unger gibt den feinsinnigen Baron und Witwer in seidenweicher Leidensmiene und ebensolchen schönen tenoralen Tönen und verliebt sich in das vermeintliche Bauernmädchen, der Baronin Freimann, Schwester des Grafen, der zunächst auch hinter ihr her ist. Jason-Nandor Tomory spielt den Platzhirsch mit lyrisch baritonalen Schöngesang, insbesondere in seiner Auftrittsarie „Heiterkeit und Fröhlichkeit“.

Der Regie von Ingolf Huhn gilt das Verdienst, in Einzelszenen Kabinettstücke von Spiel- und Sangesfreude gestaltet zu haben, die schließlich das Biedermeier als gar nicht langweilige, sozial differenzierte Aufbruchzeit auf die Bühne stellte. Die Frauen nahmen damals eine selbstbewußtere, bestimmendere Rolle ein, was sich in der Figurenführung wiederfand.
Die Aufklärung begann Fuß zu fassen (Dramaturgie: Annelen Hasselwander). Wie die Protagonisten sich gegenseitig bei einem Billardspiel an einem dreibeinigem Tisch aus dem Rennen nehmen wollten, um mit den hübschen Landmädchen alleine zu sein, war schon sehens- und hörenswert. Bettina Grothkopf, gleich in dreifacher Gestalt, sang gewohnt einfühlsam-schön und koleraturgewandt, biegsam und neckisch im Spiel.
Sehr kurzfristig hatte die Mezzosopranistin Barbara Fritscher a.G. vom Freiberger Theater die Rolle der Gräfin (für Bettina Corthy-Hildebrandt) übernommen. Sie sang die Töne dieser ungeliebten Frau (ähnlich wie bei Mozart) geschmeidig und gab „lebende Bilder“ einer kunstsinnigen Aristokratin. Solche Gäste lobt man sich, die vollgültig wie Ensemblemitglieder in die Presche springen und auch noch frischen Wind verbreiten! Wildschuetz_HP2-4934 (Andere)
Einmal mehr war der Chor (Leitung: Uwe Hanke) nicht nur klingende Staffage, sondern aktiver Darsteller mit wohlorganisierter Melodik. Vergnügtes Schwofen (Choreographie: Sigrun Kressmann) auf dem Tanzboden, beim Grafen sowie für die Dorfgemeinschaft. Das alles spielt in einem großräumigen, stimmungsvollen Bühnenbild von Tilo Staudte.
Die Tapeten gleichen dem Himmel, der Pavillon steht für das Schloss, und der Rest ist gekonnte Beleuchtung.
Die Kostüme von Erika Lust waren eine solche, kombiniert mit raffinierten Frisuren, insbesondere der Damen, der Gräfin und der aristokratischen Herren. Kompliment an die Maske! Leander de Marels Hofmeisterstudie im alten Rokokostil war wieder eine seiner ganz eigenen Kreationen, in der er diesmal sogar seine Muttersprache zelebrieren konnte.
Der Abend war eine großartige Ensembleleistung und eine überzeugende Darstellung unseres deutschen musikalischen Nationaltheaters.

Eveline Figura

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6.11./11.11./25.11./25.12.2016
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