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THEATER ABC

 

 



Endlich mal MODERNE!

Das 5. Konzert der Erzgebirgischen Philharmonie Aue unter der Leitung von GMD Naoshi Takahashi zeigte Vielfalt, differenzierte Klänge, meisterliche Interpretation und das Akkordeon als Soloinstrument mit Clemens Bernhard Winter.

Am 19. Januar 2015 hatten sich nicht ganz so viele Zuhörer ins Annaberger Theater getraut, versprach doch das Programm weniger die gewohnten Klanggewohnheiten zu befriedigen. Richard Wagner brachte mit „Siegfrieds Rheinfahrt“ nach großem Piano und Zaghaftigkeit bei den Bläsern zu Beginn dann die dramatische Dynamik und Kraft der Spätromantik ans aufmerksame Ohr. Auch der Abschluss mit Paul Dukas „Der Zauberlehrling“ forderte die Spielfreude die Erzgebirgischen Philharmoniker Aue unter der Leitung von GMD Naoshi Takahashi geradezu heraus. Sehr differenziert dirigiert wurde mit Witz und Tollerei, ja vielleicht auch die verhaltene Ehrfurcht des Lehrlings vor den Mächten und dem Meister mit intoniert. Es ist Programmmusik, die Goethes Rhythmik nicht kopierte, sondern frei und eigenständig das Thema meisterlich interpretiert. Bravo dem Orchester, den Holzbläsern und auch dem Kontra-Fagott!
Aram Chatschaturjans berühmter Säbeltanz aus dessen Gajaneh-Suite, als Übergang in die Moderne und inzwischen gefeiert als ein Weltklassiker, war dann im zweiten Teil des Konzertes zu hören. Unübertroffen die Verbindung von folkloristischen und Tanzmotiven, bei denen Dirigent und Orchester ganz verschmolzen waren. Bei den melancholischen Elementen, der Liebessehnsucht im Mittelteil, fehlte ein wenig der Kontrast ins Verhaltene, die Ruhe zwischen den aufbrausenden Temperamenten.
Konzert 5. - 2015

Aber dann war schon fast Schluss mit vertrauten Hörgewohnheiten im Programm. Die Moderne forderte, wegen der vielen ungewohnten Klangraffinessen, vom Publikum besondere Aufmerksamkeit. Man musste hinhören können!
Nach gerade überstandenen Klangräuschen hierzulande zur Weihnachtszeit mit Renaissance-Intraden, fulminantem sächsischem Barock, unseren einfachen, aber manchmal überzuckerten Weihnachtsliedern, ist die Musik der Moderne geradezu wie ein Espresso nach überreichem Mahle: Bitternis kann auch pikant sein.
Das teilweise etwas irritierte Publikum, zu spüren an kleinen Kommentaren, Taschen- und Tücher-Geräuschen, war aber dann doch bei der Sache. Es erfordert eben etwas Konzentration, Gegenwartsmusik aufzunehmen. Man bedenke aber, dass alle Musik, auch die heute geliebte und gewohnte, dazumal Gegenwartsmusik war und ungewohnte Klänge bisweilen herbe Ablehnung, Proteste, ja Prügeleien hervorriefen.
Nicht so bei diesem Konzert in Annaberg! Zuerst erklang „Ein besonderer Tag“ des Franzosen Eric Voegelin (geb. 1962), einem kompositorischen Quereinsteiger. Sein Werk fängt mit sphärischen Streicherklängen, fiepsenden, engen Halbtönen an, wie es dann auch endet. Scheinbar ohne Struktur erklingen die Instrumentengruppen. Es ist Psychologie im Klange, nachvollziehbares Dahinziehen der Zeit mit kleinen Impressionen. Das Programm war intelligent gebaut, denn auf dieses eher introvertierte Werk folgte der „Zustand der Welt“ von Tobias Morgenstern, der seine Entwicklung in vielen Genres von der Weimarer Hochschule als Akkordeonist aus gestaltete und mit namhaften Kompositionen für Orchester hervortrat. Mit seiner Gruppe „L´art des Passage“ wurde er bekannt und trat mit bekannten Liedermachern auf, was ihn wohl auch erdete.
Sein Werk überzeugte mit dem talentierten jungen Solisten auf dem Knopfakkorden - Clemens Bernhard Winter.
GMD Naoshi Takahashi überzeugte mit kraftvollem, aber einfühlsamen Dirigat, und der Solist mit Meisterschaft im Einordnen. Die Komposition vermittelte eine zupackende Weltsicht auf viele, auch quälende Widersprüche. Hohe Anforderungen an die Instrumentengruppen und reichlich gefühlvollem Schlagwerk, komplizierte Einsätze für die Bläser, eine Herausforderung für den gesamten Klangkörper. Das Publikum folgte mit zunehmendem Interesse. Der Solist verwöhnte mit einem brillant intoniertem Tango Astor Piazzollas in akzentuierter Klavierbegleitung als Zugabe.
In Anwesenheit des Komponisten Niimi Tokuhide, geb. 1947 in Nagoya/Japan, wurde dessen Komposition für kleines Orchester „Kette des Lebens“ aufgeführt, was die konzentrierteste Aufmerksamkeit erforderte. Stilistische Ähnlichkeiten mit dem vorher aufgeführten Werk Voegelins sind zufällig, aber vielleicht doch zeitbezogen. Auch dieses Werk scheint psychologisierend „Lebenslinien“ als sich verschmelzende „Ketten“ zu beschreiben und hat sicher auch japanische Klangwelten integriert. Den Streichern verlangte unsynchrone Mechanismen viel Konzentration ab, Verwebungen atonaler Elemente lassen eher auf die Spiegelung menschlicher Entfremdung schließen. Mit engagierter Konzentration wirkten Dirigent und Orchester. Das Publikum dankte mit Verständnis für Werk und Leistung.
Schade nur, dass wieder so wenig junge Leute in solche Konzerte geworben wurden, die in der sogenannten U-Musik selbstverständlicher auf ungewohnte Klänge geeicht sind und viel normaler schräge Harmonien verkraften. Mindestens in Richtung der Oberklassen der Gymnasien sollte die Öffentlichkeitsarbeit zugehen, wenn es sein muss, mit halben oder Viertel-Eintrittspreisen, denn sonst bleiben die Plätze im Haus leer... - und das noch mehr in der Zukunft - zu schade!

Eveline Figura

Das 6. Philharmonische Konzert wird am 21.2. um 19.30 Uhr im Kulturhaus Aue
und am 23.2. um 20 Uhr im Annaberger Theater gegeben.
Auf dem Programm steht dann: Brahms (Violine- Cello-Konzert) und Bruch 2. Sinfonie.