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Ein Stück näher zu Carlfriedrich Claus

Eine bibliografisch ergänzende und erhellende Schau anlässlich des 85. Geburtstages des Grafikers, Experimentators und utopischen Kommunisten wurde im Studienraum von C. C. in der Johannisgasse in Annaberg-Buchholz unter regem Publikumsinteresse eröffnet.Claus portrait

Die am 4. Juni 2015 gut gefüllten Räume der einstigen Wohn- und Arbeitsstätte von Carfriedrich Claus (Foto: Dieter Knoblauch) in der Rückfront des Gloria-Palastes, Johannisgasse 10, gehören sonst nicht unbedingt zu den am meisten aufgesuchten Museen der Stadt. Schuld daran ist die Unkenntnis der Leistungen dieses Mannes für die Kunstentwicklung der Postmoderne im geteilten Deutschland einerseits sowie die Bedeutung seiner Persönlichkeit für die Wahrnehmung unserer Region in dieser Epoche.
Gleichzeitig wird die Annäherung der Betrachter an seine Ausdrucksformen und Inhalte - selbst geschulteren Kennern - nicht leicht gemacht.
Die Vernissage zur Ausstellung „#carlfriedrichclaus – Leben und Werk zum 85. Geburtstag – eine begehbare Biografie“ wurde von Schreibmaschinengeklapper und kurzen Claus-Texten eröffnet, um so atmosphärisch die „Mühen der Ebene“ eines außergewöhnlich aufgeschlossenen und vielseitig agierenden Menschen in unsrer Kleinstadt zu illustrieren.
Die Schau und Eröffnung lag in den Händen des Fördervereins Carlfriedrich Claus – Lebens- und Arbeitsort in Annaberg-Buchholz e.V. unter der Leitung von Frau Margit Kreißl (Gestaltung der Ausstellung), die auch die zahlreich erschienen BesucherInnen begrüßte.
Man hatte sich mit Frau Brigitta Milde eine profunde Kennerin von Inhalt und Werkumfang des Claus-Archivs von den Kunstsammlungen Chemnitz als Referentin eingeladen. Frau Milde war zudem mehrere Jahre Leiterin der Städtischen Galerie Annaberg, wo unter ihrer Regie die ersten Werkschauen Claus`schen Weltverständnisses stattfanden. Unter ihrer aktiven Mitwirkung fand die Überführung seiner Werke in die Stiftung Carlfriedrich Claus-Archiv Chemnitz statt, wo die wissenschaftliche Einordnung der Bestände, die Verleih-Begleitung in nationale und internationale Ausstellungen stattfindet.Claus -bio (Andere)
Die Referentin stellte ihre Würdigung von Leben und Werk des Künstlers unter den Titel „Kunst als Mittel der Welterlösung - der Künstler und Utopist Carlfriedrich Claus (1930-1998)“.
Die Untergliederung ihrer Ausführung folgten den Lebens- und Schaffensbereichen:
1. Der Leser,
2. Der Briefeschreiber,
3./4. Der Künstler: Sprachblätter und Lautprozesse und
5. Der Utopist: Selbstvervollkommnung als beginnende Welterlösung.

Die Jahres-Ausstellung (geöffnet bis 15. Mai 2016) wurde ergänzt durch wertvolle Leihgaben aus Privatbesitz und Museen. Dabei handelt es sich um signifikante grafische Blätter, frühe Drucke, Plakate von Ausstellungen von 1974/75 in Berlin, die Aurora-Mappe, Briefwechsel und Fotos sowie Gegenstände aus seinem Besitz und seiner Zeit – wie u.a. das Tonbandgerät und die Schreibmaschinen.
Fotos belegen das „geordnete Chaos“ in seiner Wohnung, die er als „Wohnmaschine“ bezeichnete. Seine Bibliothek umfasste ca. 10.000 Bände mit bibliophilen Kostbarkeiten und vielen von ihm selbst kommentierten und assoziierten Textstellen.
Das Zentrum der Ausstellung bilden aber jene künstlerischen Werke, die oft auf Transparentpapier in Formen und Strukturen kalligrafierte Texte mit philosophischen Inhalten vermitteln. An Claus ist der Versuch des Aufbaus einer neuen, dem Menschen dienenden Gesellschaft in der DDR nicht ohne eigene Utopie und Blessuren vorbei gegangen. Für ihn zählte das denkende und fühlende Individuum, und so lag ihm an Menschen mit wachem Geist in Sinngleichheit zu seinen Zielen.
Sein umfänglicher Briefwechsel ging weit über die Freunde im Annaberger Umfeld hinaus. Bildende Künstler wie dem Dresdner Grafiker Fritz Winter, seinem Förderer Will Grohmann, dem er sein Essay „ Bild und Kunst im 20. Jahrhundert“ widmete, und der Philosoph Ernst Bloch seien an erster Stelle genannt. Gerade im Schriftverkehr wird auch der hohe Abstraktionsgrad seines Denken und sein die Verhältnisse äußerst subjektiv reflektierendes Herangehen deutlich, was beides zum Unverstandensein in seiner kleinbürgerlich geprägten Heimat beitrug. Dazu kamen seine eigenartig anmutenden Lautexperimente in freier Natur, über die er mit Franz Mon (eigentlich Franz Löffelholz) diskutierte, um Sprache nicht ausnutzbar für Ideologien zu leben. bio3 (Andere)
Mit Raoul Hausmann stand er in Verbindung, mit der Da-Da-Bewegung, er analysierte Dohlengeräusche im Turm von St. Annen. Lautpoetische Sprachbilder entstanden. Seine Traumbilder analysierenden Einatmungen, als Vibrationen auf Tonband protokolliert.
Die Sprachblätter, die oft beidseitig Schrift-gezeichnete Gebilde durchscheinen lassen und neue Bild-Realitäten projizieren, hat er noch durch mehrfache übereinander gelegte Blätter in neue Zusammenhänge gebracht oder Effekte verstärkt.
Carlfriedrich Claus hat durch seinen deutsch-deutschen und europäischen Briefwechsel die politische Trennung in der bildenden Kunst, wenn auch nicht aufgehoben, so doch nicht akzeptiert. Die Referentin betonte, dass gerade in der bildenden Kunst durch die Trennung die Gegensätze am größten und das Verständnis für die andere Seite am meisten beeinträchtigt waren. Carlfriedrich Claus sei der Annaberger Künstler, der den Anschluss an die Moderne geschafft hätte und dafür mit Recht internationale Würdigung erfahren hat und weiter erfährt.
Er wurde mit dem Professorentitel geehrt und erhielt 1994 von seiner Heimatstadt die Ehrenbürgerwürde. Das war eine längst fällige Wiedergutmachung für allzu lange Ignoranz und Überheblichkeit von überforderter Kommunalpolitikern in den Ämtern und kulturfernen Kleinbürgern.Raumansicht_01 (Andere)
Der Vortrag von Brigitta Milde war von großer Erfahrung und Sachkenntnis geprägt. Die Ausstellung empfiehlt sich besonders für Kunsterzieher und Abiturienten, eingedenk der Tatsache, dass junge Leute dem Künstler keineswegs durch einfaches Kopieren oder Nachahmen der „Sprachbilder“ näher kommen, sondern auch – und insbesondere - durch heutige Aneignung seiner weltanschaulichen Ansätze eines dem Individuum verpflichteten Gemeinwesens.
Der Verein dankte Frau Annekatrin Münch für die Mitarbeit bei der Ausstellungsgestaltung (Verantw. Margit Kreißl) und freute sich über ihre neue Mitgliedschaft, der fünfzigsten im Carlfriedrich-Claus-Förderverein.

Bleibt noch zu hoffen, dass weitere „Aspekte des Lebens“ von Claus nach und nach hier gezeigt oder gehört werden können, so beispielsweise Teile seine große Sammlung von Musik der Völker und Serien seiner eigenen kunst-fotografischen Erkundungen im Erzgebirge.

Eveline Figura

Fotos: Förderverein Carlfriedrich Claus – Lebens- und Arbeitsort in Annaberg-Buchholz e.V.
Stiftungen Carlfriedrich Claus-Archiv, Kunstsammlungen Chemnitz
www.carlfriedrich-claus.de


Jahres-Ausstellung: „#carlfriedrichclaus – Leben und Werk zum 85. Geburtstag – eine begehbare Biografie“
ist bis 16. Mai 2016 zu sehen im
Studienraum Carlfriedrich Claus,
Johannisgasse 10,
09456 Annaberg-Buchholz,
Öffnungszeiten: Dienstag bis Freitag von 8:30 bis 13:30 Uhr, Eintritt: 2 Euro,
Führungen können auf Anfrage angeboten werden,
Tel.: Erzgebirgsmuseum 0 37 33  2 34 97, 0163 ·733 84 57,
info@carlfriedrich-claus.de

 

Persönliche Erinnerungen an Carlfriedrich Claus - hier.