LESERPOST
ÜBER UNS
IMPRESSUM
WERBEN

Gegründet 1807

www.annaberger.info

Wiedergegründet 2011

    POLITIK   WIRTSCHAFT   KULTUR   LOKALES   HISTORISCHES   STADTFÜHRER    WEIHNACHTEN im Erzgebirge

 

THEATER ABC

 

 




Typisch erzgebirgisch: Soljanka!

Die soeben erschienenen „Kulinarischen Wanderungen“ durch das Obere Erzgebirge führen eher durch ausgelatschte Trampelpfade, baufällige Einbahnstraßen und Sackgassen. Das Buch unternimmt den Versuch, die Kundschaft mit heimattümelnder Pseudo-Authentizität hinter die erzgebirgische Fichte zu führen.

Das im niedersächsischen Limosa-Verlag herausgegebene und von der Historikerin Jana Männing und der Köchin Bärbel Modes verfasste Kochbuch schreibt bereits im Vorwort von „Einförmiger Dürftigkeit oder dürftiger Einförmigkeit“. Wenn damit die erzgebirgische Küche in ihrer Gesamtheit gemeint sein soll, so liegen die Autorinnen damit gründlich daneben. Auf ihr Sammelsurium von ein paar typischen Rezepten, etlichen Fantasieprodukten und vielen für unsere Region gänzlich untypischen Gerichten mag dann der oben erwähnte Satz durchaus zutreffen.
Wie soll man ein vorgeblich obererzgebirgisches Kochbuch ernst nehmen, wenn darin solche Speisen auftauchen wie u.a. Pochiertes Ei im Nesselnest, Lauch-Tarte, Kartoffelsalat nach Art des heimatlosen Arzgebirglers, Brokkoli-Strudel, Gratiniertes Zwiebelgemüse, Karamellisierter Spargel oder Möhrchen, Brokkoli-Honig-Hähnchen, Burgunderbraten aus dem falschen Rinderfilet, Gulasch, Kesselgulasch für 10 Personen, Tafelspitz, Feuertopf, Maisgrießherz an gefüllten Paprikaschoten für Liebende, Faschiertes, Rothirschfilet in Pancetta, Heidelbeermousse...
Höhepunkt bildet dann aber die „Geburtstags-Soljanka für 10 Personen“, die mit einem Nussknacker aus Seiffen auf der selben Seite als typisch erzgebirgisch garniert wird.
Zu den wenigen – irgendwo mitunter auch noch falsch abgekupferten – Gerichten aus unserer Heimat fehlt jeglicher historischer Hintergrund über Herkunft, Namensbedeutung oder kulturgeschichtliche Verwendung im Laufe der Jahrhunderte, was man von einer Historikern zumindest ansatzweise hätte erwarten dürfen.
So wird dann z.B. auch der Schiebböcker-Käse nur mit einem „b“ geschrieben, weil vermutlich nicht gewusst wird, dass dieser Begriff vom Schieb-Bock abgeleitet wurde; jenem einrädrigen Schubkarren, von dem herunter der Bauer/Händler – der mitunter dann selbst als Schieb-Bock bezeichnet wurde - den Käse der Kundschaft direkt anbot.
Die Einleitungen zum Buch zeugen von wenig Sachkenntnis bezüglich der Kulturgeschichte vom Essen und Trinken im Erzgebirge sowie deren praktische Umsetzung heutzutage, und die eingestreuten Geschichten dienen mitunter nur als bezugsfreie Füller.
Nicht alles, was derzeit in unseren erzgebirgischen Gasthöfen als von authentische Küche angeboten wird, kann den Anspruch auf „Typisch erzgebirgisch“ erheben. Und das trifft nicht allein auf die weder in der Ukraine noch in Russland bekannte Soljanka zu. Schließlich ist hierzulande auch die „Berliner“ Currywurst im Angebot. Konsequenterweise sollte sie dann von den beiden Autorinnen auch zu einer typischen Erzgebirgsspeise verwurstet werden.
Einzig die Fotos – wenn auch viele oft zu klein geraten – können möglicherweise über die Enttäuschung über dieses Buch hinwegtrösten, das seinem formulierten Titel-Anspruch in der inhaltlichen Umsetzung kaum gerecht wird und somit schließlich auch untergehen wird in den immer zahlreicher werdenden untauglichen Versuchen, mit heimattümelnder Pseudo-Authentizität die Kundschaft für fast 20.- Euro hinter die erzgebirgische Fichte zu führen...

red.

Jana Männing/Bärbel Modes: „Das Kochbuch – Oberes Erzgebirge
Kulinarische Wanderungen zwischen Greifensteinen und Fichtelberg“,
Edition Limosa GmbH, 2014, ISBN 978-3-86037-573-0, 19,90 EURO

Zur Alternative geht es - hier