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Temporeich mit Längen

Mit „Der Widerspenstigen Zähmung“ hat Annaberg wieder ein Shakespeare-Werk im Repertoire, das mit viel Spiellaune und beträchtlichen Längen am vergangenen Sonntag im Winterstein-Theater Premiere hatte.Zaehmung_HP1-3699 (Andere)

Regie: Tamara Korber setzte nicht auf die „klassische“ Schlegel-Tieck-Übersetzung, sondern favorisierte die vom Bamberger Schauspieler Hermann Motschach, der um die 20 Werke Shakespeares übersetzt hat und auch mit eigenen Werken auf Bühne und im Funk sowie durch Bearbeitungen in Erscheinung trat. Mag sein, dass seine Übersetzung an manchen Stellen den Text genauer trifft, die von Schlegel-Tieck aber schafft über die Sprache auch noch jene Atmosphäre des späten 16. Jahrhunderts in Padua, die dem Werk im deutschen Sprachraum mit zum anhaltenden Erfolg verholfen hat. Motschachs zeitnahe Sprache fordert demzufolge auch eine moderne Umsetzung des Stoffes. Ob es dabei dem Werk zum Vorteil gereicht, wenn der Traum des trunkenen Handwerksburschen Sly (Schlau), wie er im Original als Rahmenhandlung bei Shakespeare angelegt ist, durch deren Streichung zur emanzipatorischen Realität des Kätchens beiträgt, kam an diesem Abend nur schwerlich über die Rampe. Die Inszenierung hätte durchaus Text-Streichungen vertragen. Insbesondere vor der Pause kam Kätchens Zähmung als eine Art „widerspenstige Lähmung“ daher, was dann im zweiten Teil durch temporeiches Spiel und Handlungskonzentrationen durchaus wett gemacht wurde. 0133 Zähmung (Andere)

Bühnenbild/Kostüme: Die langen Tüll-Gardinen, die der Bühne ein lichtes, lockeres – vermutlich italienisches Flair – verpassen sollen (Ausstattung: Peter Gross), kamen dem Publikum aus der kürzlich hier stattgefundenen Inszenierung von „Così fan tutte“ irgendwie bekannt vor. Ob es sich dabei um Sparsamkeit, Reduzierung auf das Wesentliche oder nur um Einfallslosigkeit handelte, hinterließ bei so manchem Zuschauer Fragen. Die farbenprächtigen und teilweise skurrilen Kostüme entschädigten dann aber wieder das einigermaßen klatschfreudige Publikum.

Musik: Ein weiteres Rätsel gab Peggy Einfeld auf, die als bettelnde Straßenmusikantin das Werk mit irischen Volksmelodien einleitete, sich dabei mit ihrem Akkordeon(!) durch die Zuschauerreihen spielte, ab und an mal wieder auf der Bühne auftauchte und im Finale noch einmal präsent war. Das Stück hätte durchaus Musik vertragen, vielleicht sogar italienische...

Darsteller/Darstellerinnen: Die Hauptrolle, die zunächst ungezähmte Catarina, war mit Marie-Louise von Gottberg typgerecht besetzt. Sie überzeugte durch artistisches Spiel ebenso gekonnt, wie in den wenigen melancholischen Tönen, die ihr Shakespeare gestattet. Ihr nimmt man die Raffinesse ab, die sich hinter ihrer scheinbaren Zähmung verbirgt. Sie bleibt auch als Gezähmte das selbstbewusste Weib, die ihrem „Herrn“ zwar anscheinend alles gibt was der verlangt, in ihrer zweiten Wirklichkeit ihn aber weiter an der langen Leine durch die Arena des Lebens führen dürfte.
Die Stimme der Marie-Luise von Gottberg ist in den Piano- und Mezzoforte-Tönen oft berührend und in der Artikulation gut verständlich, sobald sie aber in den Diskant, gepaart mit Fortissimo-Tönen wechselt, bedarf ihr Stimmorgan einer stärkeren Kontrolle.
Stimmliche Probleme hat ihr Partner Nenad Žanić als der heiratslustige Petrucchio in keiner Weise: Sein Stimme sitzt!
Ob leise oder kraftvoll, ob einschmeichelnd oder in Extemporés, auf diesen Schau-Spieler ist in allen Bühnenlagen stimmlich und darstellerisch Verlass. Wer die Übersetzung von Schlegel-Tieck kennt, der weiß, wie toll die Shakespeare-Texte aus diesem Munde geklungen hätten... Aber auch so gab Žanić einen beeindruckenden Liebhaber und souveränen Ehemann, dem die Zähmung seines Kätchens zwar gelungen scheint, dem aber gewisse Zweifel daran anzuspüren sind, die er jedoch gekonnt überspielt.0145 Zähmung (Andere)

Stimmlich und darstellerisch positiv auffallend dann auch noch Udo Prucha als der reiche Herr Vincentino, Gerd Schlott als Vater Battista Minola, Marvin Thiede als Diener mit italienischem Akzent und als Magister sowie Gisa Kümmerling als verschlagene und dann aber auch sehr elegante Witwe und als Biondella. In weiteren Rollen waren zu erleben: Stephanie Braune (Bianca), Sebastian Schlicht (Lucentio/Schneider), Benjamin Muth (Hortensio/Curtis) und Dennis Pfuhl als Diener Tranio.


Das Publikum: Erste Premierenmeinungen lobten durchweg die Spiellaune nahezu aller Darstellerinnen und Darsteller, bemängelten da und dort gewisse sprachliche Schludereien oder auch Unverständlichkeiten. Einige meinten, dass sich ihnen das Verwirr- und Verwechslungsspiel auf der Bühne nicht immer erschlossen hat, zumal im Programmheft (wiederholt!) weder Dramaturgie- noch Regieintensionen an das Publikum gebracht und noch nicht einmal die Handlung kurz umrissen werden. Man freute sich, wenn sich das Spiel in den Zuschauerraum und in den Rang hinauf verlängert und Darsteller neben dem Publikum Platz nahmen, um von dort aus zu agieren. Text-Kürzungen gegenüber wäre man - insbesondere im ersten Teil - nicht abgeneigt gewesen.
Alle freuten sich aber darüber, dass Annaberg über solch ein Ensemble verfügt, dass in der Lage ist, derartige Werke auf die Bühne zu bringen, - und so bedachte man dann alles in allem mit anerkennendem Applaus.

red.

Nächste Vorstellungen: 24.2., 19.30 Uhr, 25.2., 10 Uhr, 27.2., 19.30 Uhr