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Mitreißender ungarischer Volksklang

Das 8. Philharmonische Konzert lockte nicht nur viel Publikum ins Theater, sondern riss auch die an Wohlklang gewöhnten Musiker der Erzgebirgischen Philharmonie Aue in den eigenen Klangrausch hinein.

Das Konzert bot am Montag, dem 11. April 2016 im Annaberger Theater ein rein ungarisches Programm, das an Vielfalt der Stilistik und an Reichtum der Volksmusik, die den ehemals großungarischen Raum umfasste, nichts zu wünschen übrig ließ. Bekanntes, ja Geliebtes wie die Ungarischen Tänze unseres Hamburger Johannes Brahms war es dann wohl auch, was das Haus mit erwartungsvollen Zuschauern füllte.
Konzert (Andere)

Namen wie Franz Liszt, Zoltán Kodály und Béla Bartók waren den Besuchern aus früherem guten Musikunterricht bekannt, wenn auch deren Musik schon weniger vertraut sein dürfte. Mit Frigyes Hidas bot der Abend dann eher auch unbekanntes Terrain von Gegenwartsmusik. Das Programm war dramaturgisch interessant gebaut, begann wirkungsvoll mit Zoltán Kodálys „Tänzen aus Galánta“ (1933), der wie Béla Bartók originale Volksmusik gesammelt hatte, um dem eigenen Volk seine ungarischen Musik auf dem Konzertpodium zu präsentieren, wo bisher vor allem mitteleuropäisches Repertoire vorherrschte, auch eine Folge der Unterdrückung innerhalb der Habsburger Verhältnisse. In den Galántaer Tänzen verarbeitete Kodály zudem originale Zigeunermusik als unverwechselbarer attraktiver Bestandteil ungarischer Folklore und befreite diese noch dazu von ihrem klebrigen Kaffeehausimage.
Zoltán Kodály übernahm Rhythmik und Gestus dieser Musik ohne konkrete Melodik vordergründig zu zitieren, wirkungsvoll in seine mitteleuropäische Orchestersinfonik. So beginnen seine Tänze mit zarten Violinenläufen, die anfänglich im Orchester etwas fistelten, erst im Klarinettensolo wurde die melancholisch Einstimmung hervorbracht. Konzert 1 (Andere)
Hervorragend hier und über den ganzen Abend Ronny Wiese in seinen vielseitigen Situationen. Das Orchester war hoch konzentriert auf die anspruchsvolle Frasierung, Rhythmik und Klangbilder des Werkes eingestellt, die GMD Naoshi Takahashi konzentriert abforderte. Besonders die Streicher waren an der Formung des energischen Eindrucks, des temperamentvollen Schwungs wesentlich beteiligt, waren doch auch zwei ehemalige Konzertmeister, Nikitenko und Bechler, verstärkend mit von der Partie. Ein rasanter Einstieg in den an den mit Höhepunkten gespickten Abend.
Es folgte das Florida Concerto von Frigyes Hidas (1928-2007), des jüngsten Komponisten des Abends. Sein Doppelkonzert für Tenor- und Bassposaune wurde von den beiden jungen Posaunisten des Orchesters, Andreas Winkler und Daniel Harloff, gespielt, was immer ein Gewinn für Künstler und Publikum darstellt. Dabei sind doch die Protagonisten der gewissen Anonymität des großen Klangkörpers nicht nur entkleidet; das Publikum kann die Klangenstehung und Formung unmittelbarer teilen. Hidas - als außerordentlich vielseitiger Komponisten - steht hier mit seinem Posauenkonzert in der Tradition der jüngeren Komponistentradition, den Gegensatzes zwischen E-und U-Musik aufzuheben und wie in den USA seit den 30er Jahren begonnene Praxis, Elemente des Jazz, der dortigen Volksmusik, in Konzertsaal und die Filmmusik zu integrieren. Anspruchsvoll und unterhaltend bis in die Zugabe hinein, überzeugten die beiden Solisten von ihrem Können und ihren Instrument, die selten so wahrgenommen werden konnten.
Nach der Pause dann ein weiterer Höhepunkte des Abends: Die Ungarischen Tänze 1, 3 und 10 von Johannes Brahms. Komponiert in einer Europa weiten National-Euphorie, wo die ungarische Musik mindestens seit Josef Haydn einen besonders zentralen Platz einnahm, stellen sie den, weil populär gewordenen Höhepunkt dar. Und so klang es auch in Annaberg. Hingerissene Musiker selbst und ebensolches Publikum. Großen Anteil hatte daran der Konzertmeister des Abends Dirk M.A. Bores in solistischer Aufgabe wie im mitreisender Gestik.
Den Musikern war die Spielfreude ins Gesicht geschrieben, obwohl sie diese Musik und andere Klangschönheiten ja gewohnt sein dürften. Und so übertrugen sich Dirigier-, Musizier- und Hörfreude wechselseitig. Kaum zu glauben, dass dann noch Steigerungen möglich waren. Béla Bartóks Rumänische Volkstänze schafften das. Auch das Ungarisches aus Siebenbürgen, das nach Trianon nicht mehr zum ungarischen Staatsgebiet gehörte. Um so wichtiger die Bartóksche Sammlung ins Bewusstsein des Kernlandes und auf die internationalen Podien gebracht zu haben. Andere Rhythmik und Klangwelt, gorale Reihentänze und fast gesungene slavische Kehlstimmigkeit aus dem Orchester. Berührungen von unterschiedlichen Volksklängen, Fünf- und Siebenener-Tanzfolgen lassen auch in der Orchesterdynamik Grenzen verschmelzen. Wunderbare Wechselklänge zwischen Streichern und Bläsern unterstrichen die Vielfalt der Rhythmik.
Die Schlagwerker hatten viel zu tun. Ganz großes Theater! Die Dramaturgie krönte den Abend dann mit Liszts Mephisto-Walzer Nr.1, der die Begegnung Fausts mit Mephisto bei einer Bauernhochzeit thematisiert. Wie der Teufelsgeiger á la Paganini einst die Leute in den Wahnsinn trieb, so forciert Liszt die Tanzenden in einen fast wahnsinnigen Strudel und Überschwang. Volksklänge auch hier, aber nicht in der disziplinierten kompositorischen Verantwortung der Benutzung der Originals, sondern im raffinierten Rausch des Konzertmeisters, den Liszt ja aus eigenem Erleben kannte.
Das Orchester spielte unter seinem Generalmusikdirektor zu Höchstform auf und überzeugte sowohl durch Differenzierung wie durch Tutti das begeisterte Publikum. In den Zugaben erklangen dann noch die populären Erwartungshaltungen aus den Ungarischen Tänzen von Brahms.
Bravo und viel Applaus für die Erzgebirgische Philharmonie Aue und ihrem Dirigenten GMD Naoshi Takahashi!

Eveline Figura

Information:
Die zweite Aufführung des 8. Philharmonischen Konzerts
findet am Sonnabend, dem 16.April 2016 im Kulturhaus Aue statt.
Karten: 03771.23761,
www.winterstein-theater.de