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Ein Faktotum als Schlusspunkt

Glenn West stellt sein „Selbstbildnis“ und einige graphische Kostproben in der vorerst letzten Ausstellung der Ratsherren-Galerie in Annaberg-Buchholz aus.Glenn West 2 (Andere)

Bereits seit dem 31.8.2016 ist die kleine Ausstellung mit Werken vom Briten Glenn West plakatiert und zeigt sich zum Künstlergespräch am Mittwoch, dem 14. September 2016 doch wie ein Provisorium. Bekanntes wie seine feinzeichnerischen Collagen vom Tierpark Berlin oder den Ikonen von Annaberg waren schon zu sehen sowie einige unfertige und wenig aussagefähige Skizzen. Selbst die als Rahmen seiner Bilder gestalteten Lebensentwürfe sind nicht mehr überraschend.
Doch viele seiner kleinen graphischen Kostbarkeiten wie z.B. ein filigranes „Notizbuch“ mit Impressionen auf Reisen gezeichnet, sind des Ansehens wert.
Neu war sein als „Meisterwerk“ überschätztes und so bezeichnetes Ölbild: Ein großformatiges „Selbstbildnis“ ohne ihn selbst, aber mit seiner Welt, die die etwas irritierten oder amüsierten Besucher zu deuten versuchten. Darauf zu sehen, in wahrlich konservativer Malweise, dutzende Verweise auf sein buntes Leben mit dem sympathischen Zentrum, dem Porträt seiner Partnerin. Wortreich versuchte der seit 25 Jahren im Erzgebirge wandernde britische Lebenskünstler seine Produkte eklektizistischen Stils auf Denglisch zu erklären: Ölbilder findet er schon ausgereizt, malt aber doch in einem fast barock anmutenden, wie künstlich nachgedunkelten altdeutschen Stil. Glebb West 1 (Andere)
Viel Zeit investiert er in seinen Feinlinerkollagen, die mit Akribie, ja mit graziler Detailverliebtheit angefertigt sind.
Sein Augenmerk liegt aber in seinen „Plastiken“. Das sind Bilder aus Müllsäcken und/oder Acrylfarben, die ideenreich und in Großformaten ansprechen und Gesellschaftskritik an Wegwerfideologie und Vermüllung der Weltmeere durch Plaste - in Schönheit verwandeln. Leider in dieser Ausstellung nicht zu sehen!
Oder er arbeitet an „Geheimnissen“ von Projekten, die im erzgebirgischen Raum angedacht werden, ähnlich vielleicht seinem vor Jahren den Pöhlberg eingrenzenden Schutzraum. Auch davon war hier in der kleinen Schau im Ratsherren-Café nichts per Foto zu sehen.
Glenn West ist ein Faktotum, er überrascht mit vielen Ideen, mancher Albernheit mit Tiefgang, wie z.B. seine floriszierenden Stadtfotos, wo sich das Früher und Heute überlappen lässt, dann aber ausartet, indem schon mal in seinem Selbstbildnis die Knochen hindurch scheinen. Seine Erklärungen sind nicht immer erhellend, weil die Kunstbegriffe bei ihm wild durcheinander wirbeln. Aber allemal kann man über seine Ideen reden.


Der gut besuchte Raum in der ersten Etage des Ratsherren-Cafés in Annaberg war gefüllt mit Stammpublikum aus heimischen Kulturschaffenden und Kunstliebhabern sowie Freunden des Ausstellenden. Zu einem gedanklichen Austausch, zu einer Diskussion über die Werke kam es jedoch nicht. Zu sehr scheint man sich zu scheuen, dass eine zustimmende oder kritische Meinung zu viel von sich selbst offenbart, - oder sollte eine kritische Position in unsrer offenen Zeit in hiesigen Breiten immer noch negativ verstanden werden und mit unproduktiver Kritikempfindlichkeit behaftet sein?!
Der Dank durch die Geschäftsführerin von Annaberger Backwaren, Frau Martina Hübner, mit einer Schachtel Kekse (!), galt Glenn West und explizit Frau Bärbel Rothe, die mit der Organisation von 40 Ausstellungen in 13 Jahren - an denen sie und ihr Mann, Gottfried Rothe, beteiligt waren - und die damit die Präsentationsmöglichkeiten für viele Maler, Grafiker und Fotografen in Annaberg im Marktbereich erweitert hat. Das Beste daran war in den zurückliegenden Jahren die gezeigte Vielfalt der Handschriften sowie die Zusammenkünfte bei den Vernissagen, bei denen es oftmals - mehr als gestern - zum Austausch über Lebenswege, Gestaltungskriterien und Sichtweisen kam. Mögen sich in der Zukunft nun neue Initiatoren und besucherfreundlichere Räume in der schönen Annaberger Innenstadt finden, die den Künsten und den Kulturschaffenden zur Präsentation ihrer Werke und zur lebhaften Diskussion darüber offen stehen.

Eveline Figura