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Nachtklang

Junge Musiker zwischen alten Meistern und grenzenloser moderner Musizierlust im morbiden Charme des Annaberger Jugendstil-Bades.

Die fulminante Eröffnung des Musikfestes Erzgebirge mit Händels Meisterwerk „Der richtige Lebensweg“ unter Prof. Hans-Christian Rademann und der stilsicheren, zurecht weltberühmten Gechinger Kantorei war in St. Georgen in Schwarzenberg, diesem Schmuckkästchen alter Kirchenarchitektur, noch nicht recht verklungen, schon lösten sich die perfekten Konturen in das Wohlgefallen an freiem Musizieren, individuellem Improvisieren und interkulturellem Beieinander auf.
Stadtbad Konzert 1 (Andere)

Bereits am zweiten Abend des Musikfestes Erzgebirge gaben sich die Veranstalter wieder der puren Lust an Experimenten junger Musiker hin und das standesgemäß im morbiden Charme des „Alten Stadtbades“ in Annaberg-Buchholz.
Nach dem Wille der Veranstalter solle dieses Juwel aus der Zeit des Jugendstils gerade durch viel Kultur wieder das Leben ins sich vereinen, das durch Zeitläufe und Rentabilitätsdenken in Verfall geriet und wiedereinmal in Licht und Akustik erstrahlte. Der feinfühligen Moderation und dem Dramaturgen des Festivals, Dr. Oliver Geisler, seien dafür schon mal Dank gesagt.Stadtbad Konzert 2 (Andere)

Der Raum schuf also den passenden Rahmen für einen wunderbaren Abend. Drei junge Ensembles gestalteten ihre Sicht auf große Meister des Barock, der Wiener Klassik, Romantik oder Gegenwart und der arteigenen Musikalität der Interpreten.
Zunächst das Duo Pianotopia, das mit seiner Zweieinigkeit spielte: Kurt Holzkämper und Chris Geisler, Klavier und Kontrabass, akustisch und elektronisch, brachten die Genies Bach und Mozart zusammen. Die Motive und Rhythmik vermischen sich nicht nur instrumental, wobei der Kontrabass Chris Geislers als Orgelton und Percussion zugleich agiert und elektronisch mit Blasebalg aus einer alten Orgel und den NASA-Aufzeichnungen aus dem All verbunden ward.
Kurt Holzkämper am Piano, souverän in der Partiturkenntnis, verschmolz authentische Klänge mit modulierten Jazzläufen und -phrasierungen, wobei für die meisten Hörer die Übergänge der Bach- und Mozartwerke nicht kenntlich blieben.
Die stärkere Absetzung der jeweiligen Original-Motive vor ihrer Überlappung oder Vereinigung wären dabei hilfreich - pro Publikum!
Das Ensemble x.y aus England besteht aus sechs jungen Musikern, die sich dem Barock verschrieben haben und daraus Transformationen in heutige Stil- und Formsprache vornehmen. Werke von Cipriano de Rore, Heinrich von Biber, Claudio Monteverdi und anonyme Meister sowie eine UA „Ciaccona“ als Eigenkomposition, zeigten sowohl die Verwurzelung in Melodik und Emotion eines Monteverdi als auch die nicht weniger eindringliche Befreiung in der Moderne ohne Grenzen. Überzeugend hier auch der Einsatz geschulter Gesangstechnik der Mezzosopranistin wie der changierende Versuch des Tenors ins nahezu Tonlose. Dabei fantasiereicher Einsatz von Klangeffekten, Ketten, Startbretter, Rasseln, Tambourins. Von Gänsehaut bis Entspannung, alles kam beim Publikum an.Stadtbad Konzert 3 (Andere)
Die dritte Formation war das Komos Ensemble, das sich der Musik vom 13. bis 17. Jahrhundert verschrieben hat.
Die vier jungen Leute platzierten sich mit spanischen, englischen und französischen Komponisten Alphonso X, Jean-Baptist Lully, Anonymii, v.a. mit tänzerischer Faszination und historischen Instrumenten mitten ins Herz des Publikums.
Dabei waren die Improvisationen gar nicht so fern von den Vorbildern, was beweist: Das Original ist oft uneinholbar!
Das Festival hatte zusammen mit Deutschlandradio Kultur einen Preis für diesen Abend ausgelobt, der eine Studioaufnahme für den Sieger des Abends in Berlin bedeutete. Komos waren die Glücklichen, vielleicht auch Primus interparis und wurden vom Publikum mit viel Applaus bedacht.
Sie bedankten sich mit einer hauchfeinen Vokalinterpretation vom englischen Renaissance-Komponisten John Dowland in Begleitung durch die Barockguitarre. Der stimmungsvolle Spätsommerabend und die unaufdringliche Gastronomie gab es obenauf für das begeisterte hiesige und fremde Publikum sowie die von weither angereisten internationalen Gäste.

Eveline Figura

Sendetermin des Konzertmitschnittes: Deutschlandradio Kultur, 13.9.2016, 20.03 Uhr