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Furioser Auftakt

Die Erzgebirgische Philharmonie Aue unter der Leitung von GMD Naoshi Takahashi eröffnete die neue Konzertsaison mit längst überwunden geglaubten Schwächen. Als solistischen Lichtblick bot Eli Kalčeva Chopins 2. Klavierkonzert.

Um es gleich vornweg zu sagen: Die künstlerische Gesamtqualität des Orchesters war am Ende der vergangenen Spielzeit stärker auszumachen, als dies am vergangenen Montag mit dem 1. Konzert zum Saisonauftakt der Fall war. Wüsste man nicht, zu welchen Leistungen unser Klangkörper fähig ist, könnte man sich diese kritischen Bemerkungen ersparen. Konzert 1 - Kalceva (Andere)

Bereits in der Ouvertüre zur „Verkauften Braut“ wurden – insbesondere bei der Fugen-Entwicklung – Schwächen im Zusammenspiel hörbar. Von einem Wechselspiel zwischen musikalischer „Verdichtung und Entspannung“ war nur wenig zu spüren. Der Smetana kam nur laut und mitunter zu schnell über die Rampe.
Danach dominierte die junge tschechische Pianistin Eli Kalčeva (Foto) mit einem nahezu technisch exzellent gespielten Klavierkonzert von Frédéric Chopin, der – bis auf ein längeres einleitendes Vorspiel - das Orchester mehr als Begleitinstrument für das Pianoforte verstanden hat. Maestro Naoshi Takahshi war sichtbar bemüht, an wichtigen Stellen seine linke Dämpferhand zum Einsatz zu bringen, um die verhalteneren Passagen der Pianistin nicht orchestral zuzudecken. Leider reagierten Teile des Orchesters – insbesondere in den Bläsergruppen – nicht immer angemessen auf die dynamischen Interpretationsversuche des Dirigenten. So kam es dann auch im Allegro vivace (3. Satz) zu Missverständnissen zwischen Solistin und Orchester: Die rhythmischen Vorgaben, wie sie Chopin als eine Mazurka in die Partitur geschrieben und von der Solistin auch federnd interpretiert wurde, ist vom Klangkörper nicht in gleicher Weise aufgenommen und im Stile dieses polnischen Nationaltanzes fortgeführt worden.
Eine Mazurka ist weder ein Krakowjak noch gar ein Marsch...

Vielleicht hätte Peter Gast in seiner angefangenen, aber leider nicht beendeten Chopin-Biographie (1884) auf solche interpretatorische Besonderheiten beim polnischen Meister hingewiesen. Von einem der wichtigsten Komponisten Sachsens des 19. Jahrhunderts, dem Annaberger Heinrich Köselitz (Peter Gast) wurde die Ouvertüre der 2013 an diesem Hause in seiner Heimatstadt erstaufgeführten Oper „Der Löwe von Venedig“ gegeben (allerdings ohne Hinweis im Programmheft, dass dieser Komponist aus Annaberg stammt). Dabei merkte man dem Orchester und dem GMD nicht nur an, dass sie bei dieser Musik im Stoff standen, sondern man vernahm auch eine angenehme Differenzierung bei dem ansonsten recht expressiven Werk. Nach einem tutta forza war das Orchester durchaus zu einem dolce espressivo in der Lage, was keineswegs Nietzsches Briefzeile mit jener Bemerkung eines „neuen Mozart“ rechtfertigt, aber seinen „Süden in der Musik“ (1882) durchaus auf das Annaberger Konzertpodium für wenige Augenblicke brachte. AKG224986 (Andere)
Leider sind Aussagen zu Peter Gast (Foto) im Programmheft lückenhaft bis falsch: Die Behauptung, dass sich Nietzsche radikal von Richard Wagner abgewandt hätte, wird nicht allein in der Nietzsche-Biographie von Carl Paul Janz, sondern auch im „Ecce homo“ (Nietzsches Autobiographie) sowie in zahlreichen Briefen (Overbeck-Gast) widerlegt. Und dass Peter Gasts Oper nach ihrer Uraufführung 1891 in Danzig nur noch einmal in den dreißiger Jahren zu hören war, stimmt so keineswegs. Richtig ist vielmehr, dass die Danziger Uraufführung unter dem Originaltitel „Die heimliche Ehe“ (Il matrimonio segreto) stattfand. Unter dem von Nietzsche vorgeschlagenen Titel „Der Löwe von Venedig“ erlebte sie 1930 noch elf Aufführungen im Chemnitzer Opernhaus und 1932 noch acht in Regensburg. Ausschnitte aus der Oper (nicht nur Ouvertüre) kamen 1947 und 1953 in Annaberg zur Aufführung. Konzertante Bemühungen und Liederabende mit Werken von Peter Gast sind seit 2012 nachzuweisen.
Der nächste Liederabend mit teilweise in Deutschland noch nie aufgeführten Werken von Peter Gast (sowie von Richard Wagner und Friedrich Nietzsche) wird am 28. Oktober 2015 um 19.30 Uhr im Kulturzentrum Erzhammer zu erleben sein.

Mit gewaltigen Lautstärken ging es dann auch weiter mit dem Festmarsch, den Antonín Dvořák der Sisi und dem Kaiser Franz zu deren Silberhochzeit in dessen damals vielleicht schon schwerhörigen kaiserlichen Lauschorgane komponiert hatte.

Von einer Beethovschen musikalischen „Bagatelle“ war in den wuchtigen und monumental arrangierten Variationen durch Max Reger am Ende des Abends nur wenig zu spüren, was aber nicht in der Interpretation durch das klangvoll aufspielende Orchester zu suchen ist, sondern in der schwülstigen Komposition – insbesondere in der Fugen-Verarbeitung des Themas – durch den damals krisengeschüttelten Komponisten aus der benachbarten Oberpfalz (Brand bei Weiden), den Wagners „Parsifal“ einst dazu bewog, Komponist zu werden...

Alles in allem war es ein furioser und lauter Saisonauftakt, in dem das Orchester vermutlich zunächst hörbar machen wollte, dass es wieder da ist. Wenn es nun in den kommenden Konzerten wieder zu seiner ausgewogenen, differenzierten Klangsprache und der noch kürzlich hoch gelobten künstlerischen Qualität zurückfindet, muss einem um diese neue Konzertsaison nicht bange sein.

Die nächste Gelegenheit, sich vom „Musikalisch Schönen“ zu überzeugen, wird dann am 19. Oktober 2015 (vorher am 17.10. in Aue) mit Ravel, Debussy und Leonard Bernstein gegeben sein.

red.