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Grafitti royal

Vor 100 Jahren starb Wilhelm Walther aus dem Erzgebirgsort Cämmeswalde –
der Maler und Gestalter des Dresdner Fürstenzuges.

Vermutlich waren es Bauern aus dem Frankenland und Mönche aus dem böhmischen Kloster Osseg, die im Jahre 1207 ein am Oberlauf der Flöha und im Walde gelegenes Dorf gegründet haben, das ab 1213 als Kämmerswalde - später Cämmerswalde - in alten Schriften offiziell auftaucht. Es war ein Dorf der Kolonisten des böhmischen Königs Ottokar I., von denen einer sein Kämmerer Slavko I. war, von dem der Ort seinen Namen erhalten haben soll.
Sowohl die Jahre der Pest als auch die Schwedenbesetzungen im Dreißigjährigen Krieg ließen den kleinen Grenzort in seiner Geschichte nur selten zur Ruhe und nie zu größeren Reichtümern kommen. Die im 19. Jahrhundert einsetzende Holzverarbeitung sowie die Arbeit in der Landwirtschaft haben auch hier einen strebsamen und bescheidenen Erzgebirgscharakter hervorgebracht. Cämmerswalde

Mit solchen Eigenschaften war auch jener ausgerüstet, den wir noch heute als „den letzten Mann im Dresdener Fürstenzug“ ausmachen können: Der Erzgebirger Wilhelm Walther wurde am 18. Oktober 1826 in Cämmerswalde geboren. Er ist der Schöpfer dieses oft bestaunten, einmaligen Kunstwerkes an der Dresdener Schlossmauer, längs der Auguststraße, auf dem er sich selbst konterfeit hat. Sein Vater, ein aus Seiffen stammender Revierförster bei der von Schönbergschen Herrschaft auf Purschenstein, hat offenbar die Liebe seines Sohnes zur erzgebirgischen Heimat frühzeitig geweckt und später künstlerisch vertieft. In einem mietfreien Zimmer, in dem die gesamte Familie Leben musste, brachte der kleine Wilhelm seine ersten „Waldgeheimnisse“ zu Papier. Eine zeichnerische Arbeit, die unter gleichem Titel Jahre später in England, wohin sie verkauft worden sein sollte, wieder auftauchte. Die Familie wechselt in den 30er Jahren den Wohnsitz nach Neuhaus. Dort erhält der Vater die Möglichkeit, ein kleines Lotteriegeschäft zu betreiben. Wilhelm Walther 4
Die bildkünstlerischen Fähigkeiten von Wilhelm Walther sind wahrscheinlich in der Neuhauser Schule entdeckt worden, denn von hier aus nahm er regelmäßigen Zeichenunterricht bei Meister Wanke, einem geschätzten Spielzeuggestalter aus Seiffen. Auch Wilhelm erhielt nach Abschluss der Schule eine Reihe kleinerer Aufgaben für die Gestaltung von Holzspielzeug. Einige Zeit bemalte er in Zöblitz Dosen aus Serpentinstein mit Ornamenten, welche die erzgebirgische Flora naiv widerspiegeln, später jedoch im Rankenwerk des „Fürstenzuges“ meisterlich verarbeitet wurden. Endlich im Jahre 1842 begann er sein langersehntes Studium an der Kunstakademie in Dresden. Häufige Unterbrechungen aus privaten, aber besonders auch finanziellen Gründen führten erst 1886 zum Studienabschluss. Wahrscheinlich hatte es Wilhelm Walther seinen ehemaligen Professoren Pechel und Hübner zu verdanken, dass er sich an der Ausschreibung für die Gestaltung der kahlen Wand am Stallhof in der Dresdener Auguststraße beteiligen konnte. Er ließ die gesamte Konkurrenz hinter sich und bekam 1868 den Auftrag zur Realisierung des „Fürstenzuges“. Sein Entwurf sah vor, auf dem Grund eines Teppichs die Fürsten der Zeiten von der Übernahme der Mark Meißen durch die Wettiner im Jahre 1089 bis ins 19.Jahrhundert, „durchsetzt mit allerlei Bürgersleut und Volk“, durch die Auguststraße zum Schloss ziehen zu lassen.Wilhelm Walther 5

Unzählige Studien und Vorarbeiten bezüglich der historisch-korrekten Kleidung, der Herrscherinsignien, der Heraldik, bis hin zu den damals gebräuchlichen Pferderassen und deren Zaumzeug waren erforderlich, bevor die gewaltige Arbeit in der aus dem 14. Jahrhundert stammenden Technik des italienischen Sgraffito ausgeführt werden konnte: Eine Wandmalerei, bei der auf einer Fläche, die mit verschiedenfarbigen Putzschichten bestrichen worden ist, die bildliche Darstellung aus dem noch frischen Putz gekratzt wird (ital. sgraffiare = kratzen = weitläufig verwandt mit unserem heutigen Grafitti). Wilhelm Walther 2
Im Jahre 1906 ist die damals notwendige Erneuerung des „Fürstenzuges“ unter Aufsicht und Anleitung des nunmehrigen Professors Wilhelm Walther durchgeführt worden. Diesmal wurde das gewaltige Werk auf 25.000 Kacheln aus Meißner Porzellan gemalt und gebrannt. Damit ist gleichsam ein neues Kunstwerk geschaffen worden, welches seinem Vorläufer zwar noch dem Inhalt nach entspricht, sich aber in der Technik und Form vom damaligen unterscheidet.

Die sinnlose Zerstörung unseres schönen „Elb-Florenz“ im Februar 1945 durch amerikanische und englische Bomben zog auch dieses einmalige künstlerische Werk von internationalem Rang stark in Mitleidenschaft. Als eine großartige denkmalpflegerische Leistung muss daher die fachkundige Waschung sowie die originalgetreue Erneuerung und Ergänzung der zahlreichen beschädigten bzw. fehlenden Kacheln in den Jahren 1978/79 bewertet werden. Nach genauen Unterlagen wurden von den Mitarbeitern der Meißner Manufaktur die entsprechenden Kacheln in liebevoller Kleinarbeit angefertigt, um die 102 Meter lange, weltbekannte Sehenswürdigkeit Dresdens der Nachwelt zu erhalten. Wie sehr Wilhelm Walther bei der Konzeption und Ausführung des „Fürstenzuges“ seine erzgebirgische Heimat vor Augen hatte, kommt u.a. in dem der heimatlichen Bergflora nachgebildeten Rankenwerk sowie typischen erzgebirgischen Personen zum Ausdruck. In der Gruppe um den Fürsten Albrecht der Beherzte und Friedrich der Weise (Stadtgründer von Buchholz) - also zwischen 1486 und 1525 - befindet sich der erzgebirgische Köhler. Seine Handhaltung wird in der Literatur als Erzählgeste gegenüber seinen bürgerlichen Begleitern gedeutet, denen er angeblich die Geschichte vom Prinzenraub anschaulich erläutert haben soll. Wilhelm Walther

Ganz am Ende des Zuges schließlich - so bescheiden wie sein langes Leben war - kommt er selbst daher, jener „letzte Mann im Dresdner Fürstenzug“, unser Erzgebirger Wilhelm Walther aus Cämmerswalde. Zwischen seinen Professoren Peschel und Hübner, denen er so viel zu verdanken hat, und dem von ihm verehrten Ludwig Adrian Richter aus Meißen, blickt er nachdenklich unter seinem breitkrempigen Künstlerhut hervor. Nachdenklich vielleicht auch wegen jener alten und neuen Aufmärsche, die sich zuweilen gespenstig an seinem Lebenswerk vorbei bewegten und allzeit einen kulturvernichtenden Kontrast zum humanistischen Kunstwerk im Hintergrund abgaben...
Sein Grabstätte befindet sich auf dem Dresdener Matthäus-Friedhof (Foto). Der Stein darauf teilt uns mit, dass er am 7. Mai 1913, im gesegneten Alter von 87 Jahren, in Dresden verstorben ist.

G.B.S.


Die abgebildeten Regenten des Fürstenzuges sind (v.l.n.r.):

Konrad der Große (1127–1156)
Otto der Reiche (1156–1190)
Albrecht der Stolze (1190–1195)
Dietrich der Bedrängte (1195–1221)
Heinrich der Erlauchte (1221–1288)
Albrecht der Entartete (1288–1307)
Friedrich der Gebissene (1307–1324)
Friedrich der Ernsthafte (1324–1349)
Friedrich der Strenge (1349–1381)
Friedrich der Streitbare (1381–1428)
Ernst (1464–1486)
Friedrich der Sanftmütige (1428–1464)
Albrecht der Beherzte (1486–1500)
Friedrich der Weise (1486–1525)
Johann der Beständige (1525–1532)
Johann Friedrich der Großmütige (1532–1547)
Georg der Bärtige (1500–1539)
Heinrich der Fromme (1539–1541)
Moritz (1547–1553)
August (1553–1586)
Christian I. (1586–1591)
Christian II. (1591–1611)
Johann Georg I. (1611–1656)
Johann Georg II. (1656–1680)
Johann Georg III. (1680–1691)
Johann Georg IV. (1691–1694)
August II. (1694–1733) (August der Starke)
August III. (1733–1763)
Friedrich Christian (1763)
Friedrich August der Gerechte (1763–1827)
Anton der Gütige (1827–1836)
Friedrich August II. (1836–1854)
Johann (1854–1873)
Albert (1873–1902)
Georg (1902–1904)

Die abgebildeten Personen der Schlußgruppe sind:

Schüler des Kreuzgymnasiums (der Sohn Wilhelm Walthers)
Korpsstudent der Universität Leipzig (ein Herr von Erdmannsdorff, Wappen auf Schärpe)
Student der Technischen Hochschule Dresden
Architekt Nikolai
Maler K. Peschel
Maler Hübner (er betrachtet mit Pedchel den Fürstenzug-Entwurf)
Bildhauer Johannes Schilling
Bildhauer Ernst Julius Hähnel
Maler Ludwig Richter
Kindergruppe, ein Ludwig-Richter-Motiv, (das Mädchen in der Mitte ist die einzige weibliche Figur des Fürstenzuges)
Germanist Ernst Förstemann (Direktor der Königl. Bibliothek)
Geheimrat Wiesner, Dezernent für die schönen Künste im Kgl. Ministerium u. Förderer des Projektes)
Kunsthistoriker und Archäologe Freiherr von Weißenbach (Wappen der Familie, der Ochsenkopf auf dem Hemdkragen)
ein Mitarbeiter Walthers, Maurer Kern
ein erzgebirgischer Bergmann
ein erzgebirgischer Bauer
ein Mitarbeiter Walthers, Maurer Pietsch
der Schöpfer des Fürstenzuges selbst: Wilhelm Walther

Siehe auch MDR-Sendung (22.1.2013) “Spur der Ahnen” hier

Hochauflösende Aufnahmen vom Fürstenzug  - hier