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THEATER ABC

 

 

August 2019


Die Freiheit ist der wahre Schatz

Die letzte Premiere in der Greifenstein-Festspiel-Saison 2019 des Eduard-von-Winterstein-Theaters Annaberg ist mit Motiven aus Robert Louis Stevensons Welterfolgsklassiker „Die Schatzinsel“ zu einem neuen Abenteuer-Musical aufgepeppt und vom großen Ensemble mit viel Kehl-und Muskelarbeit umgesetzt worden.

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Fotos: Sebastian Paul

Der eigentliche Held des Musicals ist aber der Autor als Figur selbst. Seine Lebensgeschichte ist hier mit der Schatzinsel so verwoben worden, dass zumindest die jüngeren Zuschauer in die Fülle der wechselnden Spiel- und Handlungsorte sowie Sozialschauplätze kaum zu folgen vermochten.
Die Kampf- und Tanzszenen gaben dem ganzen Pep, der Star der Vorstellung war jedoch ein Kind, Stevensons Pflegesohn!

Die dritte Saisonpremiere lag auf dem letzten Tag der Sommerferien, so dass sich die Kinderzahl in den Augustwochen bis zum 7.9.2019 eher in Grenzen halten dürfte. Es ist ein Familienstück geworden, dem Kinder ab 11/12 Jahre einigermaßen folgen können, die Kleinen sich auf Mutti oder Vatis Schoß einkuscheln bis die nächsten Seeräuberszenen wieder action bringen.

Die Absicht der Autoren Martin/Jilo/Adenberg und dem Komponisten Dennis Martin um die Fuldaer Musical-Szene ist durchaus lobenswert. Man wollte etwas Tiefe in das zur Rollschuh-Phantasie-Lovestory verflachte Musical-Genre bringen mit den Hauptlinie der Stevenson´schen Lebensgeschichte. Die Reduktion auf „Hauptlinien“, die die Schwierigkeiten eines jungen Mannes zeigen sollen, es zum erfolgreichen Autoren gegen die väterlichen Ambitionen zu schaffen, birgt aber einen Haufen Gefahren, in gängige Personenklischées zu verfallen. Und genau das ist passiert!

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Die Regisseurin Tamara Korber hat es dennoch vollbracht, die verschiedenen Gruppen schön über die Riesenbühne zu verteilen, rennen und klettern zu lassen, kämpfend und raufend (sehr gut: Kampfszenen: Nenad Zanic) sogar zum Rhythmus der Musik zu bewegen in der Choreographie von Sigrun Kressmann. Pravo dem Körpereinsatz von Chor und vor allem den vielen begeisterten Kleindarstellern! Dazu der Hauptdarsteller Nick Körber als Louis Stevenson in dramatischer Hochform und dazu noch zwei weiteren Rollen, welch eine Überforderung! Er überzeugte in seinem Streben nach Freiheit, Selbstverwirklichung als Schriftsteller und liebendem Partner, Melodramatisches inklusive. (Die Melodramatik ist hier als Stilmittel Handlungs fortlaufender oder emotionaler Situation eingesetzt).

An seiner Seite eine besonders hübsch ausgestattete Kerstin Maus (reizvolle Kostüme: Annabel von Berlichingen) als seine große Liebe Fanny Osbourne, die sich aus ihrer Ehe mit Sam Osbourne (Maximilian Nowka) lange nicht zu lösen vermag. Hier setzt der ständige Wechsel der Schauplätze zwischen Amerika und Europa ein, zum denen noch die Phantasie-Schatzinsel irgendwo in der Karibik kommt. Und auch die Personen doppeln sich, so ist Sam Ousborne plötzlich Long John Silver, der „gute Kapitän“ der Seeräuber und am Anfang auch der brutale Captain Flint. Da sollen die Kinder nicht durcheinander kommen...!

Der Star des Abends ist nämlich auch eins, Fannys Sohn Lloyd (Tim Bluthner in der Premiere und 2 weitere Jungs: Quentin Seiler und Jacob Lohschmidt in den folgenden Aufführungen), der sich nicht nur mit Stevenson gut versteht, sondern auch, von den Seeräubern entführt, unter ihnen dann als Jim, mit Captain Silver mutig seinen Mann steht. Die Jungs haben eine durchgehende Rolle zu spielen, zu sprechen, ja durchzuhalten. Dafür gabs auch den verdienten Extraapplaus. Kinder auf der Bühne sind immer ein, manchmal kitschiges Zugmittel. Hier einigermaßen begründet aber als Identifikationsfigur in einem Familienstück!

Der moralische Wandel Captain Silvers ist aber wieder eine zusätzliche Klisché-Bombe, bei der, neben dem Happy End zwischen Fanny und Stevenson, der, wie wir wissen ein gefeierter Autor wird, weitere gute Menschen firmieren: Silver sagt sich von nämlich am Ende von seiner Räuberkarriere los. Der Musical-Spezialist Maximilian Nowka gibt sein Bestes, die Charaktere zu differenzieren und mit kräftiger Musicalstimme zu singen, die Rollenähnlichkeit macht´s den Zuschauern trotzdem nicht leicht, Schwenks von einem Typ zum andren zu verstehen.

Der gestrenger, puritanischer Vater Stevenson, baritonal gesungen und autoritär gespielt (Jason-Nandor Tomory) nimmt ihn nach der Verstoßung natürlich ans liebende Herz. Der Stimmkontrast zwischen Sänger und Musicaldarsteller, hier zwischen Vater und Sohn benutzt, gelang gut, die Aufsässigkeit des Sohnes zu unterstreichen.

Viele Rollen sind doppelt besetzt mit nicht zu behaltenden Funktionen und englischen Namen, aber im Moment des Auftretens überzeugend gespielt: z.B. László Varga als blinder Pew und in seiner anscheinenden Überrolle als ständiger Pirat (-in anderen Stücken „Peter Pan“ oder „Großadmiral“-ebender); sehr markant auch Leander de Marel als Bill Bones und alter Maat; - der kann sprechen und dramatisch singen - Marie Luis Kießling als Mutter Stevensons und Künstler-Wirtin: sehr unterschiedlich bewegt.

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Zu den dramatischen Höhepunkten der Inszenierung gehörten sogenannte ´Sozialszenen´: Neben den Piraten, vermummte Auswanderer, die feinste Pariser Bohéme mit dem schönsten Modellrücken (Marta Tham), vier schnatternde Klatschweiber (B. Brothers, N. Dobbriner, M.L.Kießling und J.Roscher-Zücker) -stark an die Wilmersdorfer Witwen in „Linie 1“ erinnernd !-; und die Edinburgher Kleinbürger, die Stevensons Verbindung mit einer geschiedenen Frau verurteilen. Ja, es ist viel los im Stück und auf der Bühne (Tilo Staudte). Zuviel? (Dramaturgie: Annelen Hasselwander).

Das Finden des nur Unglück bringenden Schatzes gerät dabei zur Nebensache. Die Hauptsache ist, dass Stevenson es schaffte, in seinem durch Krankheit und frühen Tod geprägten Leben, sich Freiheit für sein Werk zu erkämpfen und glücklich zu werden!

Die Musik des Musicals hat in den Kampfszenen natürlich viel aufstampfende Wiederholungen, wenig Originelles, die Bohémszene immerhin ein wenig Musette-Walzer, zum Glück in den Liebesszenen nicht zu viel Schmalz, aber leider keinen einzigen Ohrwurm dabei, der eine dauerhaften Erfolg des Stücks tragen könnte. Dieter Klug, der Kapellmeister am Pult, hielt die bewegte Bühne im Takt zu den Original-Showplaybacks aus Fulda.

Die erfolgreiche Präsentation des überbordenden Stücks geht aber voll auf das Konto des engagiert spielenden und singenden Ensembles! Schade, dass die Premiere nicht in die Zeit der vollen Schulferien organisiert werden konnte!

Eveline Figura
  
Weitere Aufführungen: 21.8., 17 Uhr; 25./28.8., 15 Uhr; 3.9., 15 Uhr; 7.9., 17 Uhr.
Kontakt:
www.winterstein-theater.de  Tel.: 03733 1407 130.