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THEATER ABC

 

 

Mai 2019


Andauernd: Theater! - Saisonrückschau 2018/19 Annaberg-Buchholz

Die 126. Spielzeit des Eduard-von Winterstein-Theaters in Annaberg-Buchholz neigt sich schon wieder dem Ende und brachte viel Arbeit für das Ensemble und Freude für alle treuen Besucher. Nicht wenige der Künstler auf der Bühne und im Orchestergraben gingen dabei an ihre Grenzen und haben die Theaterferien nun bitter nötig.

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Die große Wirtshausszene aus Lortzings “Zum Großadmiral”.
Fotos: Dirk Rückschloß / BUR-Werbung

Das Publikum, das häufiger anwesend war, kam voll auf seine Kosten trotz mancher Skepsis gegenüber der einen oder anderen Inszenierungen oder Besetzungen. Leider blieben auch viele Plätze leer, -verpasstes Vergnügen und verschenkte Erkenntnisse! An der Vielfalt des Spielplans lag es wohl eher nicht, eher an zu wenig Last-Minute- Inspiration, die Plätze zu füllen...?!

Nach dem Theaterfest im September 2018 zu Spielbeginn amüsierte sich das Publikum gleich über
„Die Olsenbande II“, (unter den Links finden Sie unsere jeweilige Rezension) einem aktionsreichen  Handlungsmix aus verschiedenen Episoden der beliebten dänischen Filmreihe, die im DDR-Fernsehen einst einschlug wie die Bombe im Tresor. Hier war die Besetzung der Rollen kongenial zur Vorlage, insbesondere der Egon (Udo Prucha) und Yvonne (Gisa Kümmerling).

Ein Stück zum Lockerlassen, was so schwer zu machen ist. Drauf folgte
„Annie get your gun“, ein hier eher nicht so bekanntes Musical mit allerdings populären Melodie aus der verstaubten Moralkiste der Amis. Aber Annie emanzipiert sich doch- außer beim Happyend. Ebenso die Hauptdarstellerin Madelaine Vogt und zwar von der musikalischen Vorlage, die für sie nach oben transponiert wurde und ihr glaubt man die Unterwerfung unter den Ehemann eh nicht.

Im November überzeugte das Weihnachtsmärchen
„Peterchens Mondfahrt“ nach Jahrzehnte langer Abstinenz als solches mehr als 100 Prozent. Die Rolle des ursprünglich unterbelichteten Schwesterchens neben Peter wurde aufgepeppt und überzeugend von Isa Etienne Flaccus gespielt. An wen oder was erinnert man sich- neben ihr  am meisten noch? Ich mich an den Mann im Mond (Udo Prucha) und natürlich den vielbeinigen zappeligen Maikäfer (Philip Adam). Die Ausstattung hatte mit viel Fantasie daran einen erstrangigen Anteil und für viele Kinder eine große Freude. So macht man das Publikum der Zukunft!

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Szene aus Lessings “Nathan der Weise”.

Das Schauspiel agierte anschließend in
„Der Gott des Gemetzels“ mit den eigenen Erfahrungen heutigen Beziehungsgespinstes und der Filmvorlage im Kopf. Ein Achtungserfolg auf den Brettern und für die Darsteller, weniger für die Langzeitwirkung unserer Bühne. Waren doch die Probleme eher west-gestrickt. Für die Allerkleinsten war „In Knecht Ruprechts Werkstatt“ einiges los. Spaß und Freude in überschaubarer, nicht überfordernder Zeit, aber oft gespielt in Advent- und Weihnachtszeit. Der Bogen für die Klein- und Schulkinder wurde bis zum 15.5. 2019 gespannt: Das Orchester unter Naoshi Takahashi und Akteure, u.a. Madelaine Vogt, Udo Prucha als Tönchen und Nusssknacker agierten begeisternd, um in die Welt von Oper und Musik einzuführen. Die Veranstaltungen für verschieden Altersgruppen haben sich schon im zweiten Jahr als Dauer-Bedürfnisse etabliert. Bravo -ein weiterer Griff in die Zukunft!

tosca2Der klangliche und darstellerische Höhepunkt der Spielzeit war ohne Zweifel Puccinis
„Tosca“ (Foto). In der einzigen weiblichen Rolle des Abends, der Titelpartie, brillierte einmal mehr die Sopranistin Bettina Grothkopf, die sowohl im souveränen Stimmumfang, dramatischer Höhe, emotionaler Differenzierung und durch überzeugendes Spiel keine Wünsche offen ließ. Sein Debüt in der Rolle des Cavaradossi und als neuer Tenor fürs Annaberger Haus gab der junge Jason Lee in achtbarer Qualität. Was für eine Herausforderung;  zumal die Hauptdarsteller keine sehenswerte Unterstützung durch Kostüm und Maske bekamen. Jason-Nandor Tomory gab einen bösartigen, an Klang starken Scarpia. Die zynischen Differenzierungen mit zurück genommener Tongebung war seine Sache nicht, wohl aber draufgängerisches Spiel. Große Abende des Musiktheaters auf unserer Bühne! Das  junge Publikum in den Gymnasien mindestens war nicht angesprochen. Zu viele Plätze leer, die man hätte zu symbolischem Preisen oder kostenlos hätte kurzfristig vergeben können.

Schlag auf Schlag danach machte dann das Schauspiel Musiktheater-Furore mit dem Rock-Musical
„GRIMM!“. Ein neues Stück mit aktuellem Inhalt gegen Ausgrenzung und viel Spaß in der Umsetzung. Die recht sparsame Ausstattung hat dennoch zielgenaue Charakterisierungen der Tiere in Wald und Dorf parat und Humor dazu. Sage einer, die Schauspieler könnten nicht singen: allemal Kerstin Maus als hübsche Dorothy und Nick Körber als Wolf Grimm. Das Positive aber war, dass sie nicht so herausstachen mit ihren guten Leistungen, sondern wahrlich eingebettet in das gut aufgestellte Ensemble wirkten. Isa E. Flaccus als Gothic-Wildschwein, Marvin Thiede als Hofhund oder Philip Adam als bösartiges Oberschwein sowie Marie-Louise von Gottberg als Eule, um nur einige zu nennen, zeigten beachtliches musisches Empfinden. Und was macht man ohne Gesangsstimme? Nenad Zanic jedenfalls überspielt das einfach gekonnt. Und machte das zur Typcharakteristik. Das Stück gehört als Ensembleleistung wohl zum Höhepunkt der Saison.

Eine der schönsten historischen Erfolge der Klassischen Wiener Operetten von Carl Millöcker,
„Der Bettelstudent“, mit herrlichen Duetten und Tenor-Arien- wurde durch Regie, Ausstattung und Besetzung regelrecht hingerichtet. Damit geriet der historische Hintergrund in den Klamauk, die Handlung in Misskredit und die Besetzung mit mehreren (extra zu bezahlenden) Gästen  unter dem möglichen Niveau des eigenen Ensembles. Also: „Schwamm drüber!“, was Sachkunde und Regiebegleitung der Musikdramaturgie nicht ersetzen kann.

Der Gast in
„Nathan der Weise“ (David Gerlach a.G.) hingegen war ein Gewinn an heutiger, unaufgesetzter Sprach- und Spielkultur. Das unübertroffene Lessing-Drama ist gerade wieder unverzichtbarer Dialog-Stoff für alle Generationen.

Auch in dieser Spielzeit gelang es Intendant Dr. Ingolf Huhn wieder eine Rarität aus den Tiefen des Vergessens zu reißen: Lortzings 1847 uraufgeführte, dann verbotene und vergessene komische Oper
„Zum Großadmiral“. Mit herrlicher Musik, gut aufgestellten Solistenensemble, mit der schönen hellen Stimme des neuen Tenors Jason Lee und dem kraftvollen Spielbass eines László Varga, wohlklingenden Chören und passender Ausstattung war da wohl ein Schatz gehoben, ein paar Straffungen der Handlung zur Optimierung möglich.

Das Gastspiel des Tanztheater der Landesbühnen Sachsen ergänzte, was wir selbst nicht mehr haben, ein Profi-Ballett. Mit ihrer „Gräfin Cosel“ von Carlos Matos und Wenke Kriemer de Matos zur Musik von Antonio Vivaldi und Hofkompositeur Johann Adolph Hasse sowie Gegenwartskompositionen bewegten sich die Tänzer gar nicht höfisch , sondern in modernem Ausdruckstanz, womit die Widersprüche zwischen Liebe und Macht, Glanz und Absturz gespiegelt wurden.

Komische Kontraste setzte einmal mehr der vielbeschäftigte Udo Prucha und Kollegen mit Adaptionen der Witze und Gags von „Eberhard Cohrs und Collegen“ und dem Heinz-Erhard-Abend “Warum die Zitronen sauer sind“, auf der Studiobühne. Übernahmen aus der vergangenen Spielzeit wie Kleists
„Käthchen von Heilbronn“, „Martha“ von Ritter Flotow, „Blossom Time“ mit Franz Schuberts Musik-Anklängen, dem Musical „Cabaret“ und der unverwüstlich, gerne in vierter Spielzeit angenommene bergmännischen Operette „Der Obersteiger“von Carl Zeller, in der unser Bergmusikcorps „Frisch Glück“ aufspielte und -marschiert und unser langjähriger beliebte Tenor-Frank Unger (seit September abtrünnig und engagiert in Freiberg) sogar ins Schaubergwerk im Hofe des ErzgebirgsMuseum einstieg.

Weitere Produktionen waren ein erfolgreicher Jacques-Brel-Abend mit László Varga, das Lehrer-Schüler-Stück „Frau Müller muss weg“, ein HartzIV-Musical „Kartoffelsuppe mit Band“, Klassenzimmer-Stücke, Theater der Dichtung u.u.u. Das meiste mit viel Einsatz, Ideen und spielerischer Kreativität gemacht. Trotzdem bleibt der Eindruck von allzu viel Annäherung an konservativen Publikumsgeschmack. Wenn hier schon zu wenige in traditionelle Oper gehen, kann man auch mal eine ganz moderne bringen; der Verlust bleibt in Grenzen, der Gewinn könnte ein AHA-Erlebnis sein.

Zum Abschluss der Spielzeit wartet wieder die „Lange Nacht des Gegenwarts-Theaters“ zum Thema „Heimat“ am 18. Mai 2019 im ganzen Haus. Vielleicht geht den Besuchern ein Licht auf, dass Heimat mehr ist als nur das Besingen von Wald, Reh und Berg. Gelebte Vielzahl von Beziehungen zu mir, Dir und den anderen, Verantwortung von hier in die Welt. Und: ohne unsere Theater wäre auch die Heimat ärmer. Die ins Theater gehen wissen das, die nicht kommen, werden`s nicht ereilen! 

Ein großes Lob auch der Erzgebirgs Philharmonie Aue, dem doppelt beschäftigtem Klangkörper im Orchestergraben fürs Musiktheater und monatlich auf der Konzertbühne in Annaberg und Aue, im Juni und Juli  in verschiedenen Spielstätten beim MUSIKSOMMER Erzgebirge unter der Leitung von GMD Naoshi Takahashi und dem 1. Kapellmeister Dieter Klug.

Und nach den Theaterferien? Auf zum Naturtheater auf den Greifensteinen vom 21.6.-8.9.2019,
www.winterstein-theater.de 

E. Figura

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