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THEATER ABC

 

 

September 2018


Nachhallende Schlussakkorde

Das Musikfest Erzgebirge zog aus Nah und Fern wieder Musikfreunde an, die die besonders ausgefeilte Qualität von Solisten mit bekannte Klangkörpern in selten gehörten Kompositionen und Aufführungsorten zu schätzen wussten.

Unter dem meisterhaften Dirigat von Prof. Hans-Christoph Rademann zeigte der Dresdner Kammerchor seine Bandbreite der Stilistik, die Orchester ungewöhnliche Klänge und Brillianz in Grünhain und Schwarzenberg.

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Abschlusskonzert in Schwarzenberg am 16.9., Fotos: Musikfest Erzgebirge (c) Mathias Marx

Ein großer Schwerpunkt des Musikfestes ist immer die Barockmusik. Ein europäisches Alleinstellungsmerkmal und doch im sächsischen Raum von besonderer weltanschaulicher Tiefe und Formenvielfalt. In den zwei Konzerten konnten die Unterschiede der Klangfarben des Barock, Tiefgründigkeit in den Themen als Spiegel für die Herrschenden, Klangfülle, Phantasiereichtum und lebensvolle Leichtigkeit nicht größer sein.

In der klassizistischen Kirche in Grünhain, die mit ihren zwei Rängen wie fast ein Theaterraum wirkt, war Johann Hermann Schein (1586-1630) in deren spätgotischen barocken Gestalt beheimatet, bevor er als Thomaskantor nach Leipzig berufen ward. Ein Gedenkstein erinnert an die Kirchenmusiker Schein, Flemming und Arnold vor der Kirche.

Unter dem Titel „Albtraum des Krieges und Visionen des Friedens“ erklangen nun am 12.9.2018, 20 Uhr, aber nicht seine, sondern sieben Kompositionen seines Zeitgenossen Heinrich Schütz (1585-1672), der die Zeit des dreißigjährigen Krieges durchlebte und Elend, Armut, Verzweiflung, Verwundung und Tod fühlbar machte. Klagende Gesänge, Hilferufe an den „fernen Gott“, letzte Hoffnung auf den Schöpfer wurde eindrucksvoll musiziert.

Der Dresdner Barockchor war in reduzierter Besetzung als wirklicher Kammer-Chor erlebbar und damit die Menschen als sich artikulierende, bedrängte Individuen. Die evangelischen Kirchen waren ja für das Volk der einzige, nunmehr deutschsprachige, d.h. verständliche Text- und „Konzert“-Saal, Heinrich Schütz als Dresdner Hofkapellmeister zudem nahe an historischen Ereignissen: So reichen seine Werke von Psalmen zur Rettung bis Huldigungen der schlesischen Stände, Friedenshoffnungen beim Kurfürstenkonvent 1627 in Mühlhausen bis zum endlichen Friedensfest 1650 in Dresden. Ihm gelang wie keinem sonst die Verbindung von italienischer und deutscher Musik.

Dazwischen Heinrich Ignaz Franz Bibers Battalia á 10 in D: u.a. „liederliche gselschaft“ und Schlacht, Lamento. Die frühe Barockmusik zelebriert im Orchester geradezu lautmalerisch Schlachtenlärm, das Lamento der Verwundeten und Sterbenden, Trunkenheit der Soldateska mit damals eigentlich verbotenen Dissonanzen sowie inbrünstige Gebete und Danksagungen an den Retter im Himmel. Die Musiker schrammten, klopften, ratschen auf den Instrumenten und lobten den Herrn mit Wohlklang in den höchsten Tönen. Exzellente Beherrschung des Materials sei den Künstlern bescheinigt. Sehr einfühlsam auch Werke von Johann Bach, Franz Tunder und Philipp Friedrich Böddecker. Dem Dirigenten und Intendanten des Musikfestes Erzgebirge, Prof. Rademann, der für den „Heinrich-Schütz-Preis“ nominiert wurde, ein Bravo für Programmgestaltung und Einstudierung.

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8. September Marienberg.

Das Konzert wurde vom Deutschlandfunk aufgezeichnet als eines der letzten der Reihe „Grundton.D“, die sich mit dem Denkmalschutz der Bundesrepublik nach der Wende zusammen schloss und mit mehr als fünf Millionen Euro dem Erhalt wichtiger Kulturbauten selbst Denkmale setzte. Der Landtagspräsident, die Vorsitzende der Stiftung Denkmalschutz und der Chef des Deutschlandfunks würdigten das in etwas zu langen Reden. Sendetermin des Konzertmitschnitts: 19.11.2018, 21.05 Uhr.

Im Abschlusskonzert des Musikfestes Erzgebirge am Sonntag dem 15.9. 2018 brillierte diesmal die Barockmusik. Es ist der Hochbarock in seiner glanzvollen, höfischen Vollendung eines Georg Friedrich Händel (1685-1759). Der Kirchenraum von St. Georgen in Schwarzenberg jubelt mit und feiert die prächtige, ja überschwängliche Atmosphäre des Herrscheranspruchs Friedrich Augusts von Sachsen. Der Kirchenraum mit seiner Königsloge, seinen verglasten Emporenstübchen, seinem plastischen Himmelsgewölbe und Schwebeengeln ist wie „das Wohnzimmer vom lieben Gott“, ein Versprechen aufs Jenseits. Der Raum umfängt die prachtvolle Musik mit ausgebreiteten Armen ohne zu langem Nachhall.

Das Barockorchester Wroclaw und der nun vollzählige Dresdner Kammerchor musizierten unter Prof. Hans-Christoph Rademann (in dessen Heimstadt !)Händels Oratorium „Jephta“. Diese Oratorium wie auch o.g. Konzert hat einen durchaus heutigen Bezug. Jephta, ein zunächst wenig geschätzter israelischer Feldherr, bringt durch heldenhaften Einsatz seinem Volk Glück und Freiheit und verspricht beim glücklichen Ausgang der Schlacht, -wie im Märchen, das erste , was ihm begegnet zu opfern. Es ist seine Tochter. Ein Engel verkündet, dass der Himmel das nicht will. Die schöne, schon versprochenen junge Frau verzichtet daraufhin auf die irdische Liebe, um sich Gott zu weihen.

Das Christentum, dass zunächst auf Menschenopfer verzichtet hatte, ist in seiner Geschichte: Christianisierung, Inquisition und Hexenwahn diesem Gesetz (bis in die Händel-Zeit!) und jüngsten Mißbrauchsopfern abtrünnig geworden. Der Komponist hält somit den Herrschenden einen (protestantischen) Spiegel vor. Die äußerst elegante Musik, gespielt vom profunden Wrozlawer Barockorchester, das vom Dirigenten in Dramatik, Kraft und Zurückhaltung, Exaktheit der Einsätze und auch unforciert tänzerisch gefordert wurde, war der perfekte Part zum Wechselgesang der Solisten. Der Jephta des kraftvollen Tenors Sebastian Kohlhepp war in der Modulation zwischen Heldischem und Menschlichen überzeugend auch in den Koloraturen, Tobias Berndts Bass ein mannhafter Gegenpart. Die Soprane Johanna Winkel als Iphis sehr einfühlsam und Isabel Schicketanz mit großer Klarheit in der Höhe als Engel.

Die Altistinnen Marie Henriette Reinhold und Julia Böhme sehr unterschiedlich im Ausdruck. Jephtas Frau wurde sehr zupackend und selbstbewusst gegeben, während Iphis´Bräutigam Hamor (Hosenrolle) schön klingend, aber etwas zu defensiv klang. Der herausragende Dresdner Kammerchor machten den Abend zu einem Guss. Er hatte nicht nur Volk und Priester zu singen, sondern auch den moralischen Part der Quintessenz, den Dank an Gott. Das war dann sehr differenzierte Chormusik in allen Stimmen, zart und kraftvoll, klagend und beschwörend. Wunderbar.

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Der sächsische Ministerpräsident, der das Festival weiter fördern möchte, der Landtagspräsident, Landrat und viele weitere Kommunalpolitiker saßen im Publikum. Immer mehr Gäste aus ganz Deutschland und dem Ausland konnte man sehen und hören. Am Schluss bekamen Solisten und Dirigent den „Picus“, einen Räuchermann, der bei jedem Festival ein anderes Instrument spielt. Prof. Rademann dürfte also bereits ein Quintett zu Hause vereinen. Manchmal kommen Fotos mit dem rauchenden Musiker aus dem Ausland mit Weihnachtsgrüßen an die Veranstalter.

Das begeisterte Publikum gehörte einem gereiften Altersdurchschnitt an. Wie wär´s, wenn in zwei Jahren auch ein Konzert für Kinder und Jugendliche auf dem  Programm stünde?! Man kann nicht früh genug mit Barock beginnen! Der Barock-Circus (Foto oben) mit seinen 11 ausverkauften glänzenden Vorstellungen sah schon viele jüngere Besucher.

http://www.musikfest-erzgebirge.de/

Eveline Figura