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THEATER ABC

 

 

23. Januar 2018

Von Liebe, Leid und Gier

Die aktuelle Opernpremiere des Eduard von Winterstein-Theaters, auf die das Publikum ein halbes Jahr warten musste, setzt auf Grundinstinkte und auf große Emotionen. Leoncavallos „Bajazzo“ und Puccinis „Schicchi“ haben davon übervoll und auch noch wundervolle Musik.

 
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Fotos: Dirk Rückschloss www.bur-werbung.de (c) E.v.W.-Theater Annaberg

Ruggiero Leoncavallo (1858-1919) reichte einst seinen großen Wurf „Bajazzo“ zu einem Wettbewerb in Sonzogno ein, auf dem Pietro Mascagni mit seiner Oper “Cavalleria rusticana“ (Bauernehre) den Preis gewann. Fortan sind die beiden Einakter wie siamesische Zwillinge auf der Opernbühne. Nicht so in Annaberg bei der Premiere am 21. Januar 2018, der 125. Spielzeit des Eduard von Winterstein-Theaters. Das Liebesweh Bajazzos um seine untreue Nedda wird hier gepaart mit der Habgier der Familie auf das Erbe Buoso Donatis, dass „Gianni Schicchi“ ergaunerte (1918) - von Giacomo Puccini komponierte wurde.

Beides sind Opern des italienischen Verismo (Wahrhaftigkeit), einem an der Realität, der Einheit von Zeit und Ort konkret orientierten Genres. Bei Leoncavallos „Bajazzo“(UA:1893 in Mailand) ist die Leitmotivik der Figuren und Vorgänge sicher durch Richard Wagner Musikdrama geprägt, wobei die Arien und Ensembles signifikanter bleiben und sich zu italienischer Hochform steigern.

Das Orchester wartet mit Raffinesse auf und auch der Chor hat eine außerordentlich ausgefeilte Melodik. Tonio (Jason-Nandor Tomory), Komödiant einer Wanderbühne, eröffnet mit einem Prolog vor der Bühne: „Schaut her, ich bin`s!“ und verweist die Zuschauer, dass sich im Folgenden Realität und Spiel nicht nur mischen, sondern die Mimen Menschen voller Leben und Leidenschaften sind. Selten war Tomorys Bariton so zu hören; kräftiges Auftrumpfen in der Tiefe und schöne freie Höhe.

bajazzoannabergSeine abgewiesene Leidenschaft für Nedda (Bettina Grothkopf) wurde aggressiv vorgetragen. Die hat sich nicht nur Tonio zu erwehren, sondern auch der quälenden Eifersucht ihres Mannes Canio, des Prinzipals der ziehenden Theatertruppe (Frank Unger). Sein strahlender Tenor war etwas belegt und indisponiert, was dem Rollen-Charakter eher entgegen kam. Er spielte den Verzweifelnden überzeugend an der Seite von Bettina Grothkopf, deren Stimme der Dramatik sehr gut entsprach. Besonders zu hören in dem wundervollen Duett mit dem von ihr geliebten Bauern Silvio (Marlon Maia, als Gast aus Brasilien). Die Überraschung desAbends! Sein heldischer Bariton verfügt über mühelose Höhe und satte Tiefe. Selbstbewusst sein Spiel. Das konnte nun beginnen.

Ein weiterer Genuss des Abends: der Chor, Extrachor und die Chorvereinigung Coruso, die mit sauberer Vielstimmigkeit, Doppelchören aufhorchen ließen (Uwe Hanke / Jens Olaf Buhrow). Die Regie von Tamara Korber hat hier anständig Bewegung ins Volk gebracht. Warum allerdings einige Herren im Geschäftsanzug herum stakten, war weniger einsichtig als drei poetisch pantomimische Clowns (Moritz Häußler, Dominik Kwetkat und Marco Römling).

Die Ausstattung(Robert Schrag) war überaus reizvoll: bespielbare, strukturierte Bühnenlandschaft, Oberlichter mit Wolken, Bühne auf der Bühne mit venezianischem Horizont und zauberhaft verspielte Kostümen in den Comedia-Del-Arte-Szenen.

Dort überraschte Beppo/Harlekin (Marcus Sandmann) mit seinem schön gesungenen Ständchen und die Komödianten Nedda/Colombine, Canio/Bajazzo mit hübschen Spieleinfällen, die sich rasant ins Tragische wendeten. Tonio war der Spielemacher, der den Tod bringt und das Ende des Spiels verkündet. Alles untermauert von der kraftvollen Musik Leoncavallos, wohl sein größter Wurf und der Beweis, dass gute Oper nicht fünf Stunden braucht.

Die Musikdramatik lag in den Händen von GMD Naoshi Takahashi, der mit der Erzgebirgischen Philharmonie die Bühne bewegte und die Eindringlichkeit des Geschehens wunderbar untermauerte. Der Ouvertüre fehlte allerdings einmal mehr die Geduld des ersten Augenblicks und manchem Klang beim Cello oder der Bläser die Reinheit des tiefen Gefühls.

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Puccinis „Gianni Schicchi“ (UA: 1919 in Rom) war ursprünglich Teil eines als Trilogie konzipierte Opernabends, zusammen mit „Der Mantel“ und „Schwester Angelica“. Die eher seltener auftretende Komödie auf der Opernbühne (Text: Gioacchino Forzano) geht auf die Boccaccio-Zeit der Renaissance, 1299, zurück und lässt viele Turbulenzen erwarten. Die Familie des gerade verstorbenen Advokaten Donati will sich mit dessen Testament nicht abfinden. Gianni Schicchi (László Varga), tatendurstiger Freund der Familie, schlüpft in dessen Krankenbett und diktiert nun dem Notar (Matthias Stephan Hildebrandt), auch als Arzt wieder in komödiantischer Hochform, das familiengerechte neue Testament. Selbstverständlich vergisst er sich dabei selbst nicht, unter sich krümmenden und verbiegenden Protesten der anderen Protagonisten. 16 Solorollen intonieren Puccinis Ruf- und Sprechgesänge, seinem Musikdrama, bei dem die Charakterisierung wichtiger wird als die Schönheit des Stimmklangs. Mit einer Ausnahme: Das wundervolle , berühmte Arioso der Lauretta (Madelaine Vogt) „“Väterchen, teures , höre...“, mit dem sie um die Verbindung mit ihrem Liebsten Rinuccio (Frank Unger) fleht. Frank Ungers glockenheller Tenor strahlte wieder und auch wenn sich Madelaine Vogts Sopran mal im Register irrte, gestaltete sie doch liebende Hoffnung.

László Varga als Schicchi war wie von der Rolle: endlich wieder eine Opern-Hauptrolle am eigenen Haus, dazu ein Italo-Macho und Erz-Durchtriebener. Seiner Stimme wurden Skalen abverlangt, von tiefer Überzeugtheit bis zu lockender Fistelstimme und auch mal spielerisch differenzierter in den abrupten Übergängen zwischen Tatendrang und Verzagtheit beim Nachdenken über die Konsequenzen seines Tuns. Was ein guter Opernstoff so aus den Leuten macht! Bravo, Frau Korber, für die Figurenführung, wenngleich manche Bewegtheit noch mehr aus der Musik hätte kommen können. Das Paar Gherardino /Nella (Sandmann/Grothkopf) gut zu hören, die junge Nella (Bettina Corthy Hildebrandt) und ihr schüchterner Partner Marco (Jason-Nandor Tomory), im Kontrast zu Simons (Marlon Maia) Kraftstimme.

Glänzend die Zita der Anna Bineta Diouf, unser neuer Mezzosopran in ihrer ersten Spielzeit. Sie hätte das Watteau am Hinterteil nicht bedurft, sondern es gespielt. Robert Schrag hatte mit seinen figurbetonten Kostümen viel zum bejubelten Abend beigetragen, wie bei der karierten Länge Leander de Marels! Der schwarze Hintergrund der Bühne mit aufgefädelten Büchern und den Oberlichtern, einem Zentralbett und Lümmel-Treppe war perfekt. Das Orchester war glänzend in den Akzenten und Tempi. Endlich wieder ein berührender und amüsanter Abend mit großer Musik und einem begeisterungsfähigen Publikum.

Eveline Figura

Nächste Vorstellungen:
24.1., 3.2., 10.2., 19.30 Uhr; 25.2., 4.3., 19 Uhr; 11.3., 15 Uhr, 23.3., 19.30 Uhr
Tel.: 03733 1407-130,
www.winterstein-theater.de